sic! 2024 Ausgabe 5

«Fahrzeugleasing». Bundesverwaltungsgericht vom 5. Juni 2023

7. Wettbewerbsrecht

7.2 Kartellrecht

BV 5 III; VwVG 48 I c; KG 29. Das Bundesverwaltungsgericht prüft im Einzelfall anhand der konkreten Umstände, ob eine Partei ein Rechtsschutzinteresse an der Erhebung einer Beschwerde gegen eine Verpflichtung hat, der sie im Rahmen der einvernehmlichen Regelung (EVR) ausdrücklich zugestimmt hat (E. 1.2).
BV 5 III; VwVG 48 I c; KG 29. Wird eine Partei durch den Umfang der Verfügung der WEKO in ihrer aufgrund des Abschlusses einer EVR geweckten, berechtigten Erwartung getäuscht, dass negative Publizität durch eine kurze Genehmigungsverfügung vermieden werden könne, ist die Erhebung einer Beschwerde weder widersprüchlich noch rechtsmissbräuchlich und die Partei folglich materiell zur Beschwerde legitimiert (E. 1.2.12).
EMRK 6, 7; BV 30, 32; VwVG 12, 13, 19, 33; KG 29, 39, 40, 49a I; VGG 37. Bei EVR-Verfahren im Zusammenhang mit sanktionsbedrohten Sachverhalten muss das auch sonst in Kartellverfahren erforderliche Beweismass erfüllt sein (Überzeugungsbeweis als Regelbeweis für «gewöhnliche» Lebenssachverhalte ohne multiple Wirkungszusammenhänge), damit ein rechtserheblicher Sachumstand als bewiesen erachtet werden kann (E. 3.2).
BV 29 II, 32; KG 29, 30. Aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör fliesst die Pflicht der Behörde, ihre Verfügungen und Entscheide zu begründen. Allerdings dürfen Begründungsdichte und -tiefe in einem Verfahren mit EVR im Vergleich zu einer Verfügung ohne EVR teilweise vermindert ausfallen. Liefert die unterinstanzliche Behörde anlässlich der Anfechtung ihres Entscheides eine genügende Begründung nach, kann ein allfälliger Verstoss (hier nicht gegeben) gegen die Begründungspflicht geheilt werden (E. 3.3).
BV 29 II, 32; KG 29, 30, 49a I. In Bezug auf eine Sanktionsbemessung erfordert die Begründungspflicht, dass die Behörde auf sämtliche für die Festsetzung erforderlichen Parameter (wie die Umsatzzahlen und den relevanten Markt) kurz eingeht und sämtliche zur Anwendung gebrachten Sanktionsminderungsgründe nennt, so dass die Berechnung der auferlegten Sanktion nachvollzogen werden kann. Liefert die WEKO diese Angaben im Beschwerdeverfahren nach, vermag dies die Verletzung der Begründungspflicht zu heilen (E. 3.3).
AEUV 101 I; KG 4 I; OR 1 I. Ein Austausch von nicht öffentlichen, unternehmensspezifischen, nicht aggregierten, aktuellen bzw. zukunftsbezogenen Informationen zu Preisverhalten bzw. Kostenfaktoren und Volumina in hoher Frequenz zwischen Mitbewerbern ist geeignet, das Marktverhalten zu beeinflussen. Erleichtert die Marktstruktur eine Koordinierung und ist das Mindestmass an Kommunikation erfüllt, liegt eine Abstimmung i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG vor (E. 5.2.2).
AEUV 101 I; KG 4 I; OR 1 I. Aus einem langjährigen, häufigen und umfangreichen Informationsaustausch darf geschlossen werden, dass die Abstimmung i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG das Marktverhalten effektiv beeinflusst hat (Eintritt des Abstimmungserfolgs) (E. 5.2.3).
AEUV 101 I; KG 4 I; OR 1 I. Für den Nachweis des zwischen Abstimmung und Marktverhalten (Abstimmungserfolg) erforderlichen Kausalzusammenhangs gelten Beweiserleichterungen. Bei nachgewiesener Abstimmung besteht die (widerlegbare) Vermutung, dass die beteiligten Unternehmen die ausgetauschten Informationen bei der Festlegung des Marktverhaltens auch berücksichtigt haben. Wird eine Abstimmung regelmässig und über einen langen Zeitraum praktiziert (hier: 93 monatliche Austausche und 24 Meetings während über 7 Jahren), darf auf die Vermutung des Kausalzusammenhangs zurückgegriffen werden (E. 5.2.4).
KG 4 I. Das Bezwecken einer Wettbewerbsabrede wohnt bereits der Verhaltenskoordination inne und verlangt lediglich eine objektive Eignung der Abrede oder Abstimmung zur Verursachung einer Wettbewerbsbeschränkung. Eine subjektive Absicht stellt kein notwendiges Element des Bezweckens dar (E. 5.3).
VKU 11 III a; KG 4 I. Der sachlich relevante Markt umfasst alle Waren und Dienstleistungen, die von der Marktgegenseite hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar erachtet werden (funktionelle Austauschbarkeit). Beim Automobilleasing stellen Miete, Bar-Kauf, Kredit-Kauf und/oder Abo-Modelle keine Substitute zum Fahrzeugleasing dar. Besteht auf dem Produktemarkt für Fahrzeuge ein Preiswettbewerb, so besteht spiegelbildlich ein solcher Preiswettbewerb auch hinsichtlich der Leasingkonditionen. Leasing- und Finanzierungsunternehmen von Fahrzeugherstellern bzw. Importeuren (sog. Captives) stehen in diesem Markt in einem Wettbewerbsverhältnis untereinander wie auch zu Dritten, die Fahrzeugleasing anbieten (Non-Captives). Diese Marktabgrenzung stellt eine Präzisierung zur bisher auch im Europäischen Recht nicht abschliessend beantworteten Frage zur Marktabgrenzung in Sachen Automobilleasing dar. Folglich stellt die Aufrechterhaltung eines Informationsaustauschsystems über Zinsen, Restwerte, Gebühren, Provisionen sowie Verkaufszahlen und Penetrationsraten zwischen den Captives eine abgestimmte (horizontale) Verhaltensweise zwischen Unternehmen auf der gleichen Marktstufe i.S.v. Art. 4 Abs 1 KG dar (E. 5.4).
KG 5 III a. Zinssätze, Restwerte, Gebühren und Provisionen sind (im Gegensatz zu Verkaufszahlen und Penetrationsraten) beim Fahrzeugleasing in ihrer Gesamtheit wesentliche Preiselemente i.S.v. Art. 5 Abs. 3 KG (E. 6.2).
KG 5 III a. Auch ein selbständiger Informationsaustausch kann eine unzulässige Preisabrede i.S.v. Art. 5 Abs. 3 KG darstellen. Demgemäss stellt die Teilnahme am Informationsaustauschsystem hinsichtlich dieser Elemente i.Z.m den Leasingkonditionen eine unzulässige Preisabrede i.S.V. Art. 5 Abs. 3 KG dar. (E. 6.2).
KG 5 III a. Besteht im relevanten Markt wirksamer Aussenwettbewerb (hier: durch den nicht vernachlässigbaren Marktanteil der Non-Captives), kann die gesetzliche Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung widerlegt werden (E. 6.3).
KG 5 II a, b. Wäre ein aus Effizienzgründen gerechtfertigter Informationsaustausch auch mit aggregierten Daten möglich, kann der erfolgte Informationsaustausch mit nicht aggregierten Daten nicht als notwendig qualifiziert werden, wodurch eine Rechtfertigung aus Effizienzgründen entfällt (E 6.5).
KG 49 a.; SVKG 3; VwVG 62 II. Die Beschwerdeinstanz kann die angefochtene Verfügung zuungunsten einer Partei ändern (reformatio in peius), soweit die Verfügung Bundesrecht verletzt oder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Sachverhaltsfeststellung beruht. Dies gilt auch für die Sanktionsbemessung, wenn die WEKO Art. 49a KG und Art. 3 SVKG nicht richtig anwendet. Ist eine Genehmigungsverfügung in einem neun Jahre dauernden Verfahren nur von einer Untersuchungsadressatin angefochten und gegen sieben weitere in Rechtskraft erwachsen, sprechen Zeitdauer und Gesichtspunkte der Rechtsgleichheit bzw. Gleichbehandlung im Unrecht dagegen, eine höhere Sanktion durch die Beschwerdeinstanz auszusprechen (E. 9). [Volltext]


7. Droit de la concurrence

7.2 Droit des cartels

Cst. 5 III; PA 48 I c; LCart 29. Le Tribunal administratif fédéral examine au cas par cas, sur la base des circonstances concrètes, si une partie a un intérêt juridique à former un recours contre une obligation à laquelle elle a expressément consenti dans le cadre d’un accord amiable (consid. 1.2).
Cst. 5 III; PA 48 I c; LCart 29. Si une partie est trompée par l’étendue de la décision de la COMCO dans son attente légitime – suscitée par la conclusion d’un accord amiable – qu’une publicité négative puisse être évitée par une décision d’approbation rapide, l’introduction d’un recours n’est ni contradictoire ni abusive et la partie a par conséquent matériellement qualité pour recourir (consid. 1.2.12).
CEDH 6, 7; Cst. 30, 32; PA 12, 13, 19, 33; LCart 29, 39, 40, 49a I; LTAF 37. Dans les procédures d’accord amiable en relation avec des faits menacés de sanction, le degré de la preuve requis par ailleurs dans les procédures cartellaires doit être rempli (preuve de la certitude en tant que preuve ordinaire pour ce qui concerne les «faits ordinaires de la vie» sans rapports de causalité multiples) pour qu’un fait juridiquement pertinent puisse être considéré comme prouvé (consid. 3.2).
CST. 29 II, 32; LCart 29, 30. Le droit constitutionnel d’être entendu implique l’obligation pour l’autorité de motiver ses décisions. Toutefois, la densité et la profondeur de la motivation dans une procédure avec accord amiable peuvent être partiellement réduites par rapport à ce qu’elles seraient dans une décision sans accord amiable. Si l’autorité inférieure fournit une motivation suffisante lors du recours contre sa décision, il est possible de remédier à une éventuelle violation (inexistante en l’espèce) de l’obligation de motiver (consid. 3.3).
Cst. 29 II, 32; LCart 29, 30, 49a I. En ce qui concerne le calcul d’une sanction, l’obligation de motiver exige que l’autorité aborde brièvement tous les paramètres nécessaires à la fixation de ladite sanction (tels que les chiffres d’affaires et le marché concerné) et mentionne tous les motifs de réduction de la sanction appliqués, de sorte que le calcul de la sanction infligée puisse être compris. Si la COMCO fournit ces informations dans la procédure de recours, cela permet de remédier à la violation de l’obligation de motiver (consid. 3.3).
TFUE 101 I; LCart 4 I; CO 1 I. Un échange très fréquent entre concurrents d’informations non publiques, spécifiques à l’entreprise, non agrégées, actuelles ou futures, sur le comportement en matière de prix ou les facteurs de coûts et les volumes, est susceptible d’influencer le comportement sur le marché. Si la structure du marché facilite la coordination et que le degré minimal de communication est atteint, il y a concertation au sens de l’art. 4 al. 1 LCart (consid. 5.2.2).
TFUE 101 I; LCart 4 I; CO 1 I. On peut conclure d’un échange d’informations de longue durée, fréquent et important que la concertation au sens de l’art. 4 al. 1 LCart a effectivement influencé le comportement sur le marché (survenance du succès de la concertation) (consid. 5.2.3).
TFUE 101 I; LCart 4 I; CO 1 I. La preuve du lien de causalité nécessaire entre la concertation et le comportement sur le marché (succès de la concertation) bénéficie d’un allègement de la preuve. Si la concertation est prouvée, il existe une présomption (réfutable) que les entreprises concernées ont également tenu compte des informations échangées lors de la définition du comportement sur le marché. Si une concertation est pratiquée régulièrement et sur une longue période (en l’espèce: 93 échanges mensuels et 24 réunions pendant plus de 7 ans), il est permis de recourir à la présomption du lien de causalité (consid. 5.2.4).
LCart 4 I. Le but d’un accord en matière de concurrence est déjà inhérent à la coordination des comportements et exige uniquement une aptitude objective de l’accord ou de la concertation à provoquer une restriction de la concurrence. Une intention subjective ne constitue pas un élément nécessaire du but (consid. 5.3).
OCCE 11 III a; LCart 4 I. Le marché de produits en cause comprend tous les biens et services qui sont considérés comme substituables par l’autre partie au marché en ce qui concerne leurs caractéristiques et l’usage auquel ils sont destinés (interchangeabilité fonctionnelle). Dans le cas du leasing automobile, la location, l’achat au comptant, l’achat à crédit et les modèles d’abonnement ne sont pas des substituts au leasing automobile. S’il existe une concurrence par les prix sur le marché des produits automobiles, il en va de même pour les conditions de leasing. Sur ce marché, les entreprises de leasing et de financement appartenant à des constructeurs ou des importateurs de véhicules (appelées «captives») sont en concurrence entre elles ainsi qu’avec des tiers qui proposent des services de leasing automobile (entreprises non captives). Cette délimitation du marché apporte une précision sur la question de la délimitation du marché du leasing automobile, qui n’a pas encore trouvé de réponse définitive en droit européen. Par conséquent, le maintien d’un système d’échange d’informations sur les taux d’intérêt, les valeurs résiduelles, les frais, les commissions ainsi que les chiffres de vente et les taux de pénétration entre les entreprises captives constitue une pratique concertée (horizontale) entre des entreprises se situant au même niveau du marché au sens de l’art. 4 al. 1 LCart (consid. 5.4).
LCart 5 III a. Dans le cas du leasing de véhicules, les taux d’intérêt, les valeurs résiduelles, les frais et les commissions sont des éléments de prix essentiels dans leur ensemble au sens de l’art. 5 al. 3 LCart (contrairement aux chiffres de vente et aux taux de pénétration) (consid. 6.2).
LCart 5 III a. Un échange d’informations indépendant peut également constituer un accord illicite sur les prix au sens de l’art. 5 al. 3 LCart. Par conséquent, la participation au système d’échange d’informations constitue, en ce qui concerne ces éléments et les conditions de leasing, un accord illicite sur les prix au sens de l’art. 5 al. 3 LCart. (consid. 6.2).
LCart 5 III a. S’il existe une concurrence extérieure effective sur le marché en cause (en l’espèce: par la part de marché non négligeable des entreprises non captives), la présomption légale de suppression de la concurrence peut être réfutée (consid. 6.3).
LCart 5 II a, b. Si un échange d’informations justifié par des raisons d’efficacité serait également possible avec des données agrégées, l’échange d’informations effectué avec des données non agrégées ne peut pas être qualifié de nécessaire, ce qui rend caduque une justification par des raisons d’efficacité (consid. 6.5).
LCart 49a; OS LCart 3; PA 62 II. L’autorité de recours peut modifier la décision attaquée au détriment d’une partie (reformatio in pejus), dans la mesure où la décision viole le droit fédéral ou repose sur une constatation incorrecte ou incomplète des faits. Cela vaut également pour le calcul de la sanction lorsque la COMCO n’applique pas correctement l’art. 49a LCart et l’art. 3 LCRC. Si, dans une procédure qui dure depuis neuf ans, une décision d’approbation n’est contestée que par une seule destinataire de l’enquête et qu’elle est entrée en force contre sept autres, la durée et les aspects de l’égalité de droit ou de l’égalité de traitement dans l’injustice s’opposent à ce qu’une sanction plus élevée soit prononcée par l’instance de recours (consid. 9). [texte complet]



Abweisung der Beschwerde; Akten-Nr. B-4596/2019


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