sic! 2014 Ausgabe 6
ANDRI HESS-BLUMER**

Der Schutz der zweiten und weiteren medizinischen Indikation – endlich alles klar?*

Sowohl im EPÜ als auch im schweizerischen PatG ist der Schutz zweiter und weiterer medizinischer Indikationen nach langen Jahren ausdrücklich gesetzlich verankert worden. Auf den ersten Blick könnte man meinen, damit könne das Thema endlich ad acta gelegt werden. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, dass dieser Schein aus verschiedenen Gründen trügt. Er geht zunächst der Frage nach, ob es gerechtfertigt ist, dass für den Schutz derselben Erfindung unter dem PatG für ein nationales Patent lediglich das Anspruchsformat des Swiss-type claim zur Verfügung steht, während gemäss Rechtsprechung der Grossen Beschwerdekammer unter dem EPÜ für ein europäisches Patent das Anspruchsformat des zweckgebundenen Stoffanspruchs vorgeschrieben ist. Weiter wird die Frage diskutiert, wie ein gegebenenfalls ins Gesetz aufzunehmendes Ärzte- und Apothekerprivileg ausgestaltet werden könnte, ohne dass dadurch auch nichtmedizinische, industriell orientierte Marktteilnehmer automatisch ebenfalls aus der patentrechtlichen Verantwortlichkeit entlassen werden. Schliesslich wird das komplexe Zusammenspiel von Patentrecht, Heilmittelrecht und Krankenversicherungsrecht beleuchtet, als dessen Folge sich der durch Patente für zweite und weitere medizinische Indikationen vermittelte Schutz als ungenügend erweist. [Volltext]


Depuis plusieurs années, la protection de la deuxième indication thérapeutique et des indications thérapeutiques ultérieures est expressément inscrite dans la CBE et la LBI. On pourrait en conclure au premier abord que la discussion est close. Cette contribution montre qu’il n’en est rien. L’auteur examine tout d’abord s’il se justifie que la même invention ne puisse faire l’objet que d’une revendication de type «Swiss claim», pour un brevet national en application de la LBI, tandis que la jurisprudence de la Grande Chambre de recours prescrit une revendication de substance liée à son utilisation, pour un brevet européen soumis à la CBE. De plus, il discute de la question de savoir comment un privilège en faveur des médecins et des pharmaciens pourrait être aménagé de lege ferenda sans qu’il ne profite également à d’autres acteurs du marché. Enfin, il met en lumière les relations complexes entre le droit des brevets, la loi sur les produits thérapeutiques et la législation en matière d’assurance maladie, dont il ressort que la protection du droit des brevets pour la deuxième indication thérapeutique et les indications thérapeutiques ultérieures est insuffisante. [texte complet]



*Dieser Aufsatz basiert auf einem Referat anlässlich des AIPPI Forum & ExCo 2013 in Helsinki im Rahmen des Pharma Workshop 2 – Second medical use patents.
Dieser Aufsatz wurde unabhängig von und nicht im Sinne einer Replik auf den in sic! 4/2014, 245 ff., erschienenen Aufsatz von F. ADDOR/C. VETTER, Der Schutz der medizinischen Behandlungsfreiheit vor patentrechtlichen Verletzungsklagen, verfasst. Wo FELIX ADDOR und CHRISTINE VETTER eine Auffassung vertreten, die von meinem in diesem Aufsatz dargelegten Standpunkt abweicht, erwähne ich dies nachfolgend, ohne jeweils aber näher darauf einzugehen. Generell liegen die Unterschiede weniger in der rechtlichen Analyse als in der Würdigung ihrer Folgen und deren Einordnung im rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtkontext.
**  Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Zürich.


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