sic! 2002 Ausgabe 1
FRANZ M. WITTMANN*

Europäische Harmonisierung des Markenrechts durch das Harmonisierungsamt oder durch den Gerichtshof?

Mit hohem Tempo schreitet die Europäisierung des Gewerblichen Rechtsschutzes voran und das Markenrecht nimt dabei eine zentrale Stellung ein. Ein gleichermassen wichtiges Vehikel bildet auf verfahrensrechtlicher Seite die so genannte Richtervorlage nach Artikel 234 des EG-Vertrages. Ein derzeit beim EuGH anhängiger Fall demonstriert exemplarisch beide Aspekte.

C'est à grands pas que "l'européanisation" de la protection juridique de la propriété industrielle se réalise. A cet égard, le droit des marques revêt une importance cardinale. Sur le plan procédural l'institution de la procédure préjudicielle selon l'art. 234 du Traité CE constitueun outil tout aussi important. Une cause actuellement pendante devant la CJE expose les deux aspects à titre d'exemple.


I.    Die Prozessgeschichte
      
1. Die Vorlagefrage
      2. Der Beitrag des Harmonisierungsamtes
      3. Gemeinschaftsmarkenverordnung und Markenrichtlinie
      4. Die Position der EG-Kommission
II.   Rechtsangleichung im Markenrecht
    
 1. Richtlinie 89/104/EWG
      2. Die Verordnung (EG) Nr. 40/94
III.  Ausblick
   
  1. Perspektive Geistiges Eigentum in Europa
      2. Weitere Harmonisierung im Markenrecht
Zusammenfassung / Resumé


I. Die Prozessgeschichte
Am 10. Oktober 2001 fand vor dem Plenum des EuGH1 in Luxemburg die mündliche Verhandlung im Vorlageverfahren «LTJ»2 statt. Gegenstand des Verfahrens bildet eine von dem Tribunal de grande instance (TGI) in Paris mit Urteil vom 23. Juni 2000 formulierte Vorlagefrage, die auf die Auslegung des Verbotstatbestandes in Artikel 5 der Markenrichtlinie3 gerichtet ist. Die Vorgaben dieser Richtlinie aus dem Jahr 1988 sind für Frankreich in dem seit 1992 existierenden Code de la Propriété Intellectuelle (CPropI) und insbesondere in dessen Livre VIIème («Marques de Fabrique, de Commerce ou de Service et autres signes distinctifs») umgesetzt.

1. Die Vorlagefrage
Das vor dem TGI in Paris weiterhin anhängige Zivilverfahren war von der Inhaberin der für Bekleidungsartikel registrierten französischen Marke «Arthur» angestrengt worden und richtet sich gegen die geschäftlichen Aktivitäten eines weiteren französischen Markeninhabers. Dieser vertreibt Kinderbekleidung unter der ebenfalls in Frankreich registrierten Marke «Arthur et Félicie».
Mit der Behauptung «Arthur et Félicie» sei eine Wiedergabe (reproduction) ihrer Marke «Arthur» führt die Inhaberin der Markenrechte den auf Unterlassung und weitergehende Abhilfe gerichteten Prozess. Der erstinstanzlich mit der Klage befasste TGI hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH in Luxemburg mit folgender Frage vorgelegt:
«Betrifft die in Artikel 5 Absatz 1 lit. a der Richtlinie 89/104/EWG formulierte Untersagung die blosse rein identische Wiedergabe (ohne Weglassung oder Hinzufügung) des Zeichens oder derjenigen Zeichen, aus denen die Marke zusammengesetzt ist oder kann die Untersagung erstreckt werden auf:
1) die Wiedergabe des prägenden Elementes bei einer Marke, die aus mehreren Elementen zusammengesetzt ist?
2) die vollständige Wiedergabe der die Marke bildenden Zeichen, wenn ihr weitere Zeichen beigefügt sind?»

2. Der Beitrag des Harmonisierungsamtes
Eine Besonderheit dieser an sich nicht weiter ungewöhnlichen Auseinandersetzung zwischen den Inhabern zweier nationaler Markenrechte bildet die Tatsache, dass auch das in Alicante ansässige Harmonisierungsamt4 in dieser Angelegenheit schon Entscheidungen gefällt hat. Dort hatte nämlich die Beklagte des Zivilverfahrens einen Antrag auf Eintragung ihrer Marke «Arthur et Félicie» als Gemeinschaftsmarke5 gestellt. Diesem Eintragungsantrag hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens widersprochen, war damit jedoch ohne Erfolg geblieben. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH lag die Akte bei der Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes.

3. Gemeinschaftsmarkenverordnung und Markenrichtlinie

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Inhaberin der Marke «Arthur», war im schriftlichen Verfahren vor dem EuGH ausführlich auf das Risiko divergierender Entscheidungen eingegangen. Dazu hatte sie nach dem vorläufigen Unterliegen vor dem Harmonisierungsamt auch allen Anlass. Vor dem Harmonisierungsamt hatte sie gegenüber dem Prüfer geltend gemacht, es läge ein relatives Eintragungshindernis nach Art. 8 Abs. 1 der Gemeinschaftsmarkenverordnung6 vor. Nach dieser Vorschrift sind solche Marken ohne weiteres von der Eintragung ausgeschlossen, die, im Verhältnis zu einer älteren Marke, das Merkmal «doppelter Identität» aufweisen: Identität zwischen den Kennzeichen sowie Identität zwischen den gekennzeichneten Waren (lit. a). Sollten die konfligierenden Kennzeichen einander nur ähnlich sein und sollten ferner nur ähnliche Waren gekennzeichnet sein, kann die Eintragung vom prioritären Rechtsinhaber nur unter der weiteren Voraussetzung verhindert werden, dass eine Gefahr von Verwechslungen besteht (lit. b). Der Prüfer beim Harmonisierungsamt hatte die behauptete Identität zwischen «Arthur» einerseits und «Arthur et Félicie» andererseits ebensowenig gesehen wie eine Gefahr von Verwechslungen und war deshalb den Anträgen der Widerspruchsführerin nicht gefolgt.
Analog zu der Vorschrift über die relativen Eintragungshindernisse ist der vom EuGH jetzt auszulegende Verbotstatbestand in Art. 5 der Markenrichtlinie7 formuliert. Auch dort ist nur unter der Voraussetzung «doppelter Identität» ein Nutzungsverbot vorgesehen während bei Ähnlichkeit zwischen den Zeichen einerseits und den Waren andererseits das zusätzliche Merkmal einer Verwechslungsgefahr erfüllt sein muss.

a) Der Identitätsbegriff
Im Verfahren vor dem EuGH konzentrierte die Klägerin des Ausgangsverfahrens («Arthur») sich auf die Behauptung, ihr Begehren sei bei zweckgerechter Auslegung des Identitätsbegriffes auch dann gerechtfertigt, wenn zusätzlich die Gefahr von Verwechslungen nicht nachzuweisen sein sollte. Der Zweck des Verbotstatbestandes in Art. 5 der Markenrichtlinie gebiete eine gegenüber der vom Harmonisierungsamt praktizierten grosszügige Auslegung des Identitätsbegriffes mit der Folge, dass «Arthur et Félicie» im Verhältnis zu «Arthur» davon noch erfasst sein würde.

b) Markenverletzung nach französischem Recht
Die Beklagte des Ausgangsverfahrens («Arthur et Félicie») sah sich zunächst einmal in ihrem Verständnis von Markenidentität und Verwechslungsgefahr durch die Widerspruchsentscheidung des Harmonisierungsamtes bestätigt. Vor dem Gerichtshof kritisierte sie aus dem Munde eines Hochschullehrers die mangelhafte Übertragung der Richtlinienvorschriften in die nationale Rechtsordnung. Der französische Gesetzgeber nehme damit die bedenkliche Ausweitung einer Rechtsprechung in Kauf, die schlagwortartig als «Teil-Verletzung» (contrefaçon partielle) oder als «Verletzung durch Hinzufügung» (contrefaçon par adjonction) zu bezeichnen sei. Diese Rechtsprechung verletze tragende Prinzipien der europäischen Markenrechtsordnung, nämlich das Prinzip der strikten Identität sowie das Verbot der Markenaufspaltung und schliesslich das Gebot zum Nachweis der Verwechselungsgefahr bei bloss ähnlichen Kennzeichen.

c) Die Entscheidung des Harmonisierungsamtes vom 8. Oktober 1999
Nicht zuletzt auch die Widerspruchsentscheidung des Harmonisierungsamtes vom 8. Oktober 19998 muss in den Köpfen der TGI-Richterinnen und -Richter starke Zweifel an der Vereinbarkeit ihrer eigenen französischen Rechtspraxis mit dem vorrangig anzuwendenden Richtlinienrecht hervorgerufen haben.

aa) Die im Zusammenhang mit den Vorschriften gemäss Artikel L 713-2 und L 713-3 CPropI entwickelte Doktrin der «Quasi-Identité» bereitet schon wegen dieser Begriffsbildung ein gewisses Unbehagen. Ferner hat sie zur Folge, dass mit der Registrierung einer einfachen Marke zahllose weitere Kennzeichen, in denen die registrierte Marke mehr oder weniger deutlich anklingt, von zivilrechtlichen Sanktionen bedroht würden.
Andererseits kann und muss es auch im europaweiten Binnenmarkt weiterhin Markenpraktiken mit regional begrenzter Geltungskraft geben, so wie es in der 3. Begründungserwägung zur Richtlinie 89/104/EWG heisst: «Es erscheint gegenwärtig nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen». Und schliesslich zeigt die Praxis, dass vorsätzliche Markenverletzungen selten in hundertprozentiger Nachahmung bestehen, sondern eher in der gekonnten Anspielung des Nachahmers auf die erfolgreiche Marke.

bb) In der Widerspruchsentscheidung des Harmonisierungsamtes vom 8. Oktober 1999 ist die Frage nach der Identität von «Arthur» auf der einen und «Arthur et Félicie» auf der anderen Seite denkbar kurz abgehandelt und wird klar abgelehnt. Unter der Überschrift «Verwechslungsgefahr» (risque de confusion) erfolgt dann eine von Amtes wegen vorgenommene Überprüfung der beiden Kennzeichen auf bildliche, klangliche und sinnbezogene Ähnlichkeiten. Auch insoweit gelangt das Amt zu der Auffassung, dass eine durch Ähnlichkeit bedingte Verwechslungsgefahr nicht bestehe, betont aber gleichzeitig, dass die Widerspruchsführerin («Arthur») keine Anhaltspunkte vorgetragen habe, aus denen die effektive Bekanntheit ihrer Marke zu ersehen wäre.

d) Das Divergenzargument
Ihr Divergenzargument entfaltet die Klägerin des Ausgangsverfahrens9 in dreierlei Hinsicht. Zum einen sei die grundsätzliche Auslegungskompetenz des Gerichtshofes berührt, falls tatsächlich die vom Harmonisierungsamt vorgelegten Interpretationen sowohl des Identitätsbegriffes wie auch der Verwechslungsgefahr den Ausschlag geben sollten. Ferner würde die unterschiedliche Zweckrichtung der Markenrechtsrichtlinie von 1988 einerseits und der Gemeinschaftsmarkenverordnung von 1993 andererseits verwischt, falls der Gerichtshof den zugegebenermassen sehr ähnlichen Wortlaut der beiden Regelwerke als alleiniges Auslegungskriterium heranziehe. Und schliesslich müsste den Gerichten der Mitgliedstaaten ein gewisser, wenn auch teilharmonisierter, Spielraum verbleiben, um den Eigenheiten der jeweiligen nationalen Märkte gerecht werden zu können.

4. Die Position der EG-Kommission
Die EG-Kommission hatte sich zu dem Vorlageverfahren ebenfalls geäussert und befürwortet eine strenge Auslegung des Identitätsbegriffes in Art. 5 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 89/104/EWG.
Nach ihrer Auffassung gebiete sowohl der in einigen wichtigen Gemeinschaftssprachen eindeutige Wortlaut (engl.: identical; span.: idéntico; dt.: identisch; ital.: identità; franz.: identité) eine solche Auslegung wie auch die innere Logik der Markenrichtlinie. Dieser zufolge sollte der nationale Zivilrichter an die gesetzliche Vermutung für das Bestehen einer Verwechslungsgefahr ausschliesslich in den Fällen hundertprozentig identischer Kennzeichen gebunden sein; in allen übrigen Fällen habe er deren konkreten Nachweis zu fordern.

II. Rechtsangleichung im Markenrecht
Die Entwicklungen im europäisierten Markenrecht sind wesentlich getragen von den beiden erwähnten Rechtsinstrumenten der EG, der Markenrichtlinie 89/104/EWG sowie der Gemeinschaftsmarkenverordnung Nr. 40/94. Zu beiden Regelwerken gibt es eine gerade noch überschaubare Anzahl an Urteilen aus Luxemburg, nämlich des Gerichts erster Instanz, sowie des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften.

1. Richtlinie 89/104/EWG
Die Markenrichtlinie von 1988 verkörpert ein an die Adresse der Mitgliedstaaten gerichtetes Instrument zur Rechtsvereinheitlichung. Nach der Grundlagenvorschrift gemäss Art. 249 Abs. 3 EGV ist sie hinsichtlich des zu erreichenden Zieles für die Mitgliedstaaten verbindlich, lässt jedoch Spielraum für die Umsetzung auf nationaler Ebene.
Die zentralen Vorschriften der Richtlinie befassen sich mit den Eintragungshindernissen (Art. 3 und 4), mit dem Inhalt des Ausschliesslichkeitsrechtes (Art. 5) sowie mit den Schranken (Art. 6) und hier insbesondere mit der Erschöpfung (Art. 7) der durch die Marke vermittelten Rechte. In den Begründungserwägungen zur Richtlinie ist die Herkunftsfunktion der Marke als Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes hervorgehoben.

a) Additive Transformation
Dem nationalen Gesetzgeber bleibt aus Sicht des EG-Vertrages unbenommen, den Textkörper der Richtlinie lediglich übersetzt, im Übrigen aber unverändert seinen bestehenden Gesetzen beizufügen. Diese Vorgehensweise wird teilweise als «additive Transformation», teilweise als «isolierte Umsetzung» bezeichnet10. Die Nachteile dieser Praxis liegen auf der Hand. Jedenfalls über einen längeren Zeitraum betrachtet steigt die Gefahr einer inkonsistenten Ansammlung von Einzelvorschriften, die also weder untereinander noch mit dem älteren nationalen Recht vereinbar sind.
Die Bundesrepublik Deutschland wählte diesen Modus mit ihrem Markenrechtsreformgesetz vom 25. Oktober 199411, 12.

b) Integrative Umsetzung
Als alternativer Modus kommt die «integrative» oder «integrierte» Umsetzung der Richtlinienvorschriften in Betracht. Dabei werden im Rahmen des nationalen Gesetzgebungsverfahrens auch Gesetzesmaterien umfassend überarbeitet, die vom europarechtlichen Umsetzungsbefehl nicht unmittelbar betroffen sind, aus Sicht des nationalen Gesetzgebers aber für die effektive Umsetzung nicht unverändert bleiben können oder sollen.
Diesen Weg scheint die Französische Republik mit der Schaffung des erwähnten Code de la Propriété Intellectuelle beschritten zu haben. In diesem modernen Gesetzbuch sind das gesamte französische Urheberrecht sowie der gewerbliche Rechtsschutz einschliesslich des Patentrechtes in einem Gesetzesteil sowie in einer Abteilung für Verordnungen zusammengefasst. Die Gliederung der Richtlinie ist darin ansatzweise, deren Formulierungen sind nur noch bruchstückhaft wiederzuerkennen. Infolgedessen muss der französische Rechtsanwender praktisch immer beide Kodifikationen – die Richtlinie einerseits und seine nationale Umsetzungsvorschrift andererseits – im Blick haben, weil die fehlerhafte oder schon die nur zweifelhafte Umsetzung Angriffspunkte für ein Vorlageverfahren in Luxemburg liefert. Andererseits erleichtert dieser Umsetzungsmodus die praktische Rechtsanwendung, weil der Gesetzgeber eventuelle Unverträglichkeiten mit vorbestehendem nationalem Recht schon beseitigen kann.
Der erwähnte Livre septième des französischen CPropI von 1992 fasst die in Art. 5 der Richtlinie vorgesehenen «Rechte aus der Marke» folglich in einem eigenen Kapitel («Chapitre III. – Droits conférés par l’enregistrement») mit sechs eigenständigen Normgruppen (Art. L. 713-1 bis L. 713-6). Obwohl die Vorlagefrage des französischen Gerichtes ausschliesslich auf die Auslegung der Richtlinie zielt, greift der Gerichtshof die beiden Art. L. 713-2 und L. 713-3 des französischen CpropI13 auf und benennt sie ausdrücklich als Bestandteile des rechtlichen Rahmens für das Vorlageverfahren.

c) Richtervorlage als Interpretationsservice
Die Anwendung des sekundären Gemeinschaftsrechtes und damit auch der Markenrichtlinie auf den konkreten Einzelfall obliegt nach dem Verständnis des EG-Vertrages grundsätzlich den nationalen Gerichten. Diese können, in gewissermassen umgekehrter Richtung, den Gerichtshof anrufen und dort ihre Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechtes anbringen. Das Vorabentscheidungsverfahren beinhaltet also eine Art «Interpretationsservice»14, kann andererseits aber auch strenge rechtliche Verpflichtungen für das vorlegende Gericht, respektive die dort streitenden Parteien, zeitigen. Das betrifft insbesondere die Fälle, in denen letztinstanzlich entscheidende Gerichte der Mitgliedstaaten nach Art. 234 Abs. 3 EGV zur Vorlage verpflichtet sind. Eine derartige Vorlageverpflichtung zu Lasten des erstinstanzlich entscheidenden TGI in Paris15 ist für den vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Den entscheidenden Anstoss für die von den Parteien des Zivilverfahrens nicht erzwingbare Vorlage an den Europäischen Gerichtshof dürfte die Entscheidung des Harmonisierungsamtes gegeben haben.

2. Die Verordnung (EG) Nr. 40/94
Die Gemeinschaftsmarkenverordnung vom 20. Dezember 1993 unterscheidet sich schon durch ihre Bezeichnung und die damit verbundene Geltungskraft von der Markenrichtlinie. Als EG-Verordnung kommt ihr nach Art. 249 Abs. 2 EGV in allen Bestandteilen allgemeine und unmittelbare Geltung zu.
Um Rechtswirkungen für natürliche und juristische Personen in den Mitgliedstaaten zu erzeugen, bedarf sie als Verordnung keines Umsetzungsaktes auf nationaler Ebene.

a) Entwicklungsgeschichte
Den historischen (in die 1970er und 1980er Jahre zu verlegenden) Ausgangspunkt für die Schaffung der Gemeinschaftsmarkenverordnung bildete die Erkenntnis, dass auch eine Harmonisierung der nationalen Markenrechtsordnungen nichts an deren territorialer Begrenztheit ändert.
Im Widerspruch dazu hatten die damals zwölf Mitgliedstaaten sich schon mit der im Februar 198616 unterzeichneten Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) vertraglich verpflichtet, bis zum 31. Dezember 1992 einen Europäischen Binnenmarkt zu errichten. Darunter war nach dem vorübergehend so bezeichneten Art. 7A des EG-Vertrages ein Raum ohne Binnengrenzen zu verstehen, innerhalb dessen der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Das Spannungsverhältnis zwischen der Warenverkehrsfreiheit einerseits und den markenrechtlichen Ausschliesslichkeitsrechten andererseits war damit erneut zu überdenken. Um Argumentationslinien in den einschlägigen Urteilen der EG-Gerichte aufzudecken, muss man tatsächlich auf jene frühen Urteile des Gerichtshofes zurückgreifen, in denen um den Ausgleich zwischen der Warenverkehrsfreiheit auf der einen und dem «gewerblichen und kommerziellen Eigentum» auf der anderen Seite gerungen wurde. Sedes materiae war Art. 36 des EG-Vertrages, mit dem Vertrag von Amsterdam17 als Art. 30 EGV bezeichnet.

b) Inhalt
Mit der Gemeinschaftsmarkenverordnung vom Dezember 1993 ist ein autonomes Markensystem der Europäischen Gemeinschaft geschaffen, welches den dort ansässigen Unternehmen ermöglicht, in einem einzigen Verfahren Gemeinschaftsmarken zu erwerben, die in einheitlich ausgestaltetem Umfang Schutz geniessen und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft wirksam sind18. Der Systemcharakter dieser Verordnung offenbart sich in Gestalt der Vorschriften über eine eigenständige Behörden- und Gerichtsorganisation.

aa) Harmonisierungsamt
Mit der Verordnung 40/94 war das rechtliche Fundament für ein Harmonisierungsamt im Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) gelegt, im Jahr 1994 hat die gleichnamige Behörde mit Sitz in Alicante / Spanien die Arbeit aufgenommen. Das Amt verwaltet die dort angemeldeten Gemeinschaftsmarken selbstständig und unabhängig unter der Rechtsaufsicht der Kommission19. Es entfaltet seine Tätigkeit durch fünf, mit verschiedenen Zuständigkeiten ausgestattete Gruppen von Abteilungen: Prüfer, Widerspruchsabteilungen, Markenverwaltungs- und Rechtsabteilungen, Nichtigkeitsabteilungen und Beschwerdekammern20.
Ein kompliziertes Sprachenregime schafft den Ausgleich zwischen Bürgernähe und effektiver Behördenorganisation21. In einer umfangreichen Durchführungsverordnung sind alle Einzelheiten zu Anmeldeverfahren, zur Markenverwaltung, zum Beschwerdeverfahren sowie zum Verfahren auf Nichtigerklärung festgelegt22. Die Anzahl der in Alicante derzeit eingetragenen Gemeinschaftsmarken beläuft sich auf insgesamt 126.200, die Gesamtzahl der seit 1996 angemeldeten Marken liegt über 200.000.

bb) Rechtsschutz durch die Gerichte der EG
Die Entscheidungen des Amtes, genauer: diejenigen Entscheidungen der Beschwerdekammern, mit denen abschliessend über eine Beschwerde entschieden wird, sind durch Klage beim Gericht erster Instanz der EG anfechtbar23. Gemeint sind damit einesteils die Entscheidungen der Beschwerdekammern über ex-parte Beschwerden wegen absoluter Eintragungshindernisse. Gegenüber diesen Beschwerdemöglichkeiten hat das Amt endgültig die Eintragung einer Marke als Gemeinschaftsmarke abgelehnt und seine Entscheidung mit dem Vorliegen eines absoluten Eintragungshindernisses begründet. Anderenteils fallen hierunter solche inter-partes Beschwerden, die einen vor dem Amt ausgetragenen Konflikt zwischen den Inhabern verschiedener Marken betreffen. Die Verfahrensordnung des Gerichtes erster Instanz enthält einen eigenen Titel für die «Rechtsstreitigkeiten betreffend die Rechte des Geistigen Eigentums»24. Darin sind die Verfahrensrechte der je nach Art der Beschwerdeentscheidung verschiedenartig Beteiligten näher geregelt. In zweiter Instanz entscheidet der Gerichtshof über diese Klagen. Eines der frühesten Rechtsmittelurteile überhaupt in einem Rechtsstreit über die Gemeinschaftsmarke verkündete der Gerichtshof am 20. September 2001 in der Sache «Baby-dry»25.
In den erstinstanzlichen Gerichtsverfahren stehen naturgemäss Fragen zu den absoluten Eintragungshindernissen und hier insbesondere zur Unterscheidungskraft26 im Vordergrund.
Die Urteile des Gerichts erster Instanz, die sich mit den sachlichen Entscheidungen des Harmonisierungsamtes befassen, sind nach französischem Vorbild aufgebaut und vergleichsweise apodiktisch, also unter Verzicht auf tiefschürfende dogmatische Erwägungen, formuliert. Die Tätigkeit von Generalanwältinnen oder Generalanwälten, die beim Gerichtshof als unabhängige juristische Gutachter fungieren, ist beim Gericht erster Instanz nur ausnahmsweise vorgesehen27. In den Verfahren gegen die Entscheidungen des Harmonisierungsamtes treten sie regelmässig nicht in Erscheinung.

cc) Gemeinschaftsmarkengerichte
Die einzelfallbezogene Anwendung des in der Verordnung niedergelegten materiellen Markenrechtes28 obliegt demgegenüber nach Art. 97 der Verordnung den sogenannten Gemeinschaftsmarkengerichten. Das sind ausgewählte Zivilgerichte der Mitgliedstaaten, denen kraft nationaler Zuweisung die Aufgaben übertragen sind, die nach Art. 92 der Verordnung in die ausschliessliche Zuständigkeit der «Gemeinschaftsmarkengerichte» fallen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind beispielsweise 18 Landgerichte als erstinstanzliche und ebensoviele Oberlandesgerichte als zweitinstanzliche Gemeinschaftsmarkengerichte bezeichnet. Für ganz Österreich ist das Handelsgericht Wien als erstinstanzliches und das Oberlandesgericht Wien als zweitinstanzliches Gemeinschaftsmarkengericht vorgesehen. Die Liste der Gemeinschaftsmarkengerichte, wie sie beim Harmonisierungsamt geführt wird, ist nicht vollständig, weil verschiedene Mitgliedstaaten ihrer Pflicht zur Notifizierung nicht nachgekommen sind. In Art. 91 Abs. 5 der Verordnung findet sich für diese Fälle eine Auffangnorm. Danach sind die in die ausschliessliche Zuständigkeit der Gemeinschaftsmarkengerichte fallenden Streitigkeiten zivilrechtlicher Art dort anhängig zu machen, wo auch über nationale Marken zu streiten sein würde.

dd) Doppelte Zuständigkeit
Ein für die europaweite Gerichtsorganisation zentrales Novum der Zuständigkeitsordnung nach den Art. 90 ff. der Gemeinschaftsmarkenverordnung besteht in der doppelten Zuständigkeit der (nationalen) Gemeinschaftsmarkengerichte für Verletzungsklagen einerseits sowie für die «Widerklagen auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit einer Gemeinschaftsmarke». Art. 92 der Verordnung sieht hierfür sogar eine ausschliessliche Zuständigkeit der Gemeinschaftsmarkengerichte vor. Diese Kompetenz zur Entscheidung über den Bestand der Gemeinschaftsmarke ermächtigt erstmals den nationalen Zivilrichter zur Entscheidung über die «Gültigkeit» eines Gemeinschaftsrechtsaktes. Der Kreis schliesst sich und die Fäden laufen wieder bei dem Gerichtshof der EG zusammen, wenn der nationale Zivilrichter seine Zweifel über die Auslegung einer Vorschrift der Gemeinschaftsmarkenverordnung zum Gegenstand einer Richtervorlage in Luxemburg macht.

ee) Materielles Markenrecht
Das materielle Markenrecht der Gemeinschaftsmarkenverordnung ist in vier Gesetzesabschnitten niedergelegt und bietet kaum Überraschungen. Art. 7 formuliert absolute Hindernisse für die Eintragung derjenigen Marke als Gemeinschaftsmarke, die nicht über ausreichende Kennzeichnungskraft verfügt.
Relative Eintragungshindernisse werden nach Art. 8 der Verordnung nur auf Widerspruch des prioritären Markeninhabers berücksichtigt. Hier sind Kennzeichen miteinander zu vergleichen, die entweder identisch oder einander ähnlich sind und für identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen angemeldet worden sind. Soweit kein Fall «doppelter Identität» vorliegt, gibt die Verwechslungsgefahr den Ausschlag29. Die Vorschrift über die Rechte aus der Gemeinschaftsmarke in Art. 9 der Verordnung greift erneut die Unterscheidung zwischen lediglich ähnlichen und identischen Kennzeichen auf und beschränkt das ausschliessliche Recht des Markeninhabers auf Fälle nachgewiesener Verwechslungsgefahr, wenn nicht «doppelte Identität» vorliegt. Das gesamte Verordnungsrecht, also sowohl die verwaltungsrechtlichen wie auch die zivilrechtlichen Teile, sind durch den Einheitlichkeitsgrundsatz geprägt, wie er in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung formuliert ist: über Eintragung, Benutzung oder Verfall kann grundsätzlich nur mit Wirkung für die ganze Gemeinschaft entschieden werden. Es ist offenkundig, dass die Anwendung des Grundsatzes im Einzelfall schon wegen der Sprachenvielfalt in der Gemeinschaft ausserordentliche Schwierigkeiten aufwirft.
Die Vorschrift in Art. 5 der Verordnung 40/94 über mögliche Inhaber von Gemeinschaftsmarken ist grosszügig gefasst und ermöglicht auch den in der Schweiz ansässigen juristischen oder natürlichen Personen – und zwar schon kraft Zugehörigkeit zur Pariser Verbandsübereinkunft – Eigentümer einer Gemeinschaftsmarke zu sein. In den Jahren 1997 bis 2000 sind für schweizerische Markeninhaber insgesamt 2029 Gemeinschaftsmarken eingetragen worden, allein im Jahr 2001 (Stand: 31. Oktober 2001) waren es 609. Die gleichen Zeiträume weisen für die USA. 25.217 sowie 7.741 Einträge aus.
Im Bereich des traditionellen Markenrechtes musste in Gestalt des schweizerisch-deutschen Übereinkommens vom 13. April 1892 eine völkerrechtliche Vereinbarung geschaffen werden, um die territoriale Begrenzung etwa des markenrechtlichen Benutzungszwanges aufzuweichen. Für den Benutzungszwang nach Art. 15 der Gemeinschaftsmarkenverordnung wird demgegenüber die ernsthafte Benutzung in einem einzigen Mitgliedstaat als ausreichend angesehen30. Die Schweiz ist kein Mitgliedstaat der EG und daher mag es theoretisch lohnend sein, der Frage nachzugehen, ob der schweizerische Inhaber einer Gemeinschaftsmarke dem in der EG-Verordnung statuierten Benutzungszwang auch durch ausschliesslichen Markengebrauch in der Schweiz entsprechen könnte. Ein praktisches Bedürfnis für die Beantwortung dieser Frage anhand des erwähnten Abkommens ist derzeit allerdings nicht zu erkennen.

III. Ausblick
Ein Ausblick lohnt sich an dieser Stelle in zweierlei Hinsicht, nämlich in Richtung auf die Entwicklung des Gemeinschaftsmarkensystems sowie in Richtung auf das konkret zu entscheidende Verfahren «LTJ».

1. Perspektive Geistiges Eigentum in Europa

Die europäisierte Markenordnung steht in engem Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung derjenigen Rechtsgebiete, die zum Immaterialgüterrecht zählen oder dem Geistigen Eigentum zuzurechnen sind. Herausragende Bedeutung kommt derzeit dem von der EG-Kommission am 1. August 2000 vorgelegten Vorschlag für eine Gemeinschaftspatentverordnung31 zu. Von den einzelnen Vorschriften zum materiellen Patentrecht einmal abgesehen, wird der Kommissionsvorschlag wegen seiner gerichtsorganisatorischen Elemente kritisiert. Nicht dem Pendant zu den als «Gemeinschaftsmarkengerichte» fungierenden nationalen Gerichten, sondern einem auch organisatorisch verselbstständigten weiteren Gemeinschaftsgericht – Community intellectual property court – soll der Rechtsschutz anvertraut werden32. Parallel hierzu ist in Art. 225a EGV in der Fassung des Vertrages von Nizza die Bildung weiterer richterlicher Spruchkörper vorgesehen. Es sollen, gewissermassen unterhalb des Gerichtes erster Instanz, «gerichtliche Kammern» gebildet werden, deren Zuständigkeit Klagen erfasst, die «in besonderen Sachgebieten» erhoben werden. Als eines dieser besonderen Sachgebiete wird das Recht des Geistigen Eigentums angesehen33.

2. Weitere Harmonisierung im Markenrecht
Die Rechtssache «LTJ» wird man sicher einmal in die Reihe der für die Entwicklung eines Europäischen Markenrechtes grundlegenden Verfahren zählen. Einen Hinweis darauf liefert schon die Tatsache, dass auch das Vereinigte Königreich als ein Mitgliedstaat mit hohen Anmeldezahlen beim Harmonisierungsamt, einen schriftlichen und mündlichen Beitrag geleistet hatte. Eher unter statistischen Aspekten wäre zu bemerken, dass erstmals zur Auslegung der Identitätsregel gemäss Art. 5 lit. a Markenrichtlinie 89/104/ EWG judiziert wird; zum Begriff der Verwechselungsgefahr gemäss Art. 5 lit.b der Richtlinie gibt es bereits eine Handvoll Urteile des Gerichtshofes34.
Prima facie erscheint ausgeschlossen, dass der Gerichtshof einer Verurteilung der Beklagten des Ausgangsverfahrens «grünes Licht» geben wird, denn deren bislang erfolgreich angemeldete Gemeinschaftsmarke «Arthur et Félicie» wäre damit für einen wesentlichen Teil des Binnenmarktes vollständig entwertet. Andererseits besteht die Aufgabe des Gerichtshofes gerade nicht in der Entscheidung über jene in Paris anhängige Klage, für deren Beurteilung ausschliesslich der TGI die Verantwortung trägt. Und auch die Gemeinschaftsmarkenverordnung kennt einen ganzen Abschnitt35 mit Regeln, anhand derer dem Inhaber einer jüngeren Gemeinschaftsmarke ältere nationale Rechte entgegengesetzt werden können. Insofern gilt schon das gesetzliche Einheitlichkeitsprinzip36 nicht ausnahmslos.
Das praktische Problem der Abwehr solcher Markenverletzungen, die gerade nicht in der hundertprozentigen Nachahmung einer erfolgreichen Marke bestehen, bedarf ohne Zweifel einer klaren und für vorsätzliche Verletzer auch abschreckenden Lösung. Dafür muss aber nicht unbedingt der Identitätsbegriff in Art. 5 Abs. 1 lit. a der Markenrichtlinie in dem vom TGI, ausweislich der Vorlagefrage, angedeuteten Ausmass überdehnt werden. Der Gerichtshof wird wohl dem von einer derartigen Verletzung seiner Rechte bedrohten Markeninhaber zumuten, den Beweis für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zu führen, so wie das eben in Art. 5 lit. b der Richtlinie vorgesehen ist. Selbst unter Übernahme dieser Darlegungs- und Beweislast bleibt der bedrohte Markeninhaber nicht schutzlos, weil die Urteile des Gerichtshofes den Begriff der Verwechslungsgefahr in Art. 5 Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie als einen Rechtsbegriff behandeln, der wohl auf empirische Erfahrungssätze aufbauend doch auch normative Elemente enthält37. Nicht in jedem nationalen Verletzerprozess muss demnach eine aufwendige Begutachtung durch statistische Erhebungen stattfinden.
Da ferner im Anwendungsbereich der Markenrichtlinie auch nicht jener Einheitlichkeitsgrundsatz aus der Gemeinschaftsmarkenverordnung gilt, bleibt den nationalen Gerichten, die über das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zu befinden haben, ein ausreichender Spielraum, um den kulturellen, sprachlichen und sozialen Gegebenheiten «ihrer» Märkte Rechnung zu tragen. Eine systembedrohende Divergenz der harmonisierungsamtlichen Spruchpraxis im Verhältnis zu den Urteilen des Gerichtshofes ist schon deshalb nicht zu befürchten, weil der Gerichtshof auch letztinstanzlich über Beschwerden gegen die Entscheidungen des Harmonisierungsamtes entscheidet.
Die – wirtschaftlich gesehen – dringend erforderliche Harmonisierung im Europäischen Markenrecht erweist sich damit als eine umfassende Aufgabe, die nicht alleine «von oben» durch die Amtsstellen besonders dazu berufener Organe, sondern gleichermassen «von unten» durch eine Vielzahl von Rechtsanwendern zu erfüllen ist. Entscheidend bleibt, wie Art. 220 EGV für den Gerichtshof formuliert: «le respect du droit».

Zusammenfassung
Die Rechtsangleichung innerhalb Europas ereignet sich im Bereich des Geistigen Eigentums mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Das Markenrecht steht im Zentrum dieser Entwicklung. Im Zusammenhang mit der 1994 geschaffenen Gemeinschaftsmarke war ein rechtliches System eingerichtet worden, welches sich als weitgehend autonom sowohl im Verhältnis zu den gesetzgebenden wie auch im Verhältnis zu den rechtsprechenden Organen in den Mitgliedstaaten der EG erwies. Am 10. Oktober 2001 fand vor dem Gerichtshof der EG in Luxemburg die mündliche Verhandlung in der Angelegenheit «LTJ» statt. Dieses Verfahren hat eine von dem Tribunal de grande instance in Paris formulierte Vorlagefrage zum Gegenstand: «Betrifft die in Art. 5 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 89/104/EWG formulierte Untersagung die blosse rein identische Wiedergabe (ohne Weglassung oder Hinzufügung) des Zeichens oder derjenigen Zeichen, aus denen die Marke zusammengesetzt ist oder kann die Untersagung erstreckt werden auf:
1) die Wiedergabe des prägenden Elementes bei einer Marke, die aus mehreren Elementen zusammengesetzt ist?
2) die vollständige Wiedergabe der die Marke bildenden Zeichen, wenn ihr weitere Zeichen beigefügt sind?»
In einer ähnlichgelagerten Angelegenheit zwischen den gleichen Parteien hatte das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt mit Sitz in Alicante eine Entscheidung gefällt, bei der es um die Auslegung von Art.8 Abs. 1 der Gemeinschaftsmarkenverordnung ging. Aus dieser Entscheidung ist ein sehr enges Verständnis hinsichtlich der Identität, die sowohl zwischen den Kennzeichen wie auch zwischen den Produkten zu fordern ist, zu ersehen. Gleiches gilt auch für den Begriff der Verwechslungsgefahr.
Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 der Gemeinschaftsmarkenverordnung entspricht im wesentlichen demjenigen von Art. 5 Abs. 1 der Markenrichtlinie. Es ist gleichwohl nicht zu bestreiten, dass die vom Harmonisierungsamt verfolgten Zwecke nicht übereinstimmen mit der nationalen Rechtsprechung, deren Entscheidungen den Vorgaben der Richtlinie entsprechen müssen.
Falls der Europäische Gerichtshof vorschnell bereit sein sollte, ein Kennzeichen als mit einer eingetragenen Marke identisch zu beurteilen, würde er den Anwendungsbereich einer gegen das Kennzeichen gerichteten Nutzungsuntersagung über die konkreten Umstände hinaus erweitern, aufgrund derer eine Verwechselungsgefahr zu vermuten ist. Die Beantwortung der Vorlagefrage durch den Gerichtshof wird zum ersten Mal in Gestalt eines Urteiles zu einer Auslegung des Inhaltes von Art. 5 Abs. 1 lit. a der Markenrichtlinie führen. Die weiteren Tatbestandselemente dieses Artikels sind in den vergangenen Jahren bereits Gegenstand von Vorlageverfahren gewesen. Die zukünftige Auslegung, die in dem für das Jahr 2002 zu erwartenden Urteil dargestellt sein wird, muss weitreichende Folgen für die nach dem Konzept der «contrefaçon partielle» oder der «contrefaçon par adjonction» in Frankreich praktizierte Rechtsprechung haben. Aber auch alle übrigen Mitgliedstaaten werden wegen des allgemeinen Vorranges europarechtlicher Normen vor den Normen des nationalen Rechtes gezwungen sein, sich nach der Auslegung zu richten, die vom Gerichtshof für die Richtlinie gefunden worden ist.

Résumé
Avec une vitesse étonnante sont rapprochées les législations nationales dans le domaine de la propriété intellectuelle en Europe. Le droit des marques se trouve au milieu de cette évolution.
En relation avec la marque communautaire, crée en 1994, était installé un régime légal qui se montre largement autonome vis à vis soit les législations soit les juridictions dans les Etats membres de la CE.
Le 10 octobre 2001 il y avait l’audience devant la Cour de Justice de la CE à Luxembourg dans l’affaire «LTJ». Cet affaire a pour objet une question préjudicielle posée par le Tribunal de grande instance de Paris: «L’interdiction édictée par l’art. 5 al. 1, sous a), de la première directive 89/104/CEE du Conseil du 21 décembre 1988, rapprochant les législations des Etats membres sur les marques, concerne-t-elle la seule reproduction à l’identique sans retrait ni ajout, du ou des signes composant une marque, ou peut elle s’étendre à:
1) la reproduction de l’élément distinctif d’une marque composée de plusieurs signes?
2) la reproduction intégrale des signes constituant la marque lorsque leur sont adjoints d’autres signes?»
Aussi, dans une affaire correspondante entre les mêmes parties, avait rendu l’Office pour l’Harmonisation dans le Marché intérieur (OHMI), siégée à Alicante, une décision qui était fondée sur l’interprétation de l’art. 8 al. 1 du règlement sur la marque communautaire. Cette décision représentait une appréciation très stricte de l’identité des signes et des produits mais aussi du risque de confusion.
La lettre de l’art. 8 al. 1, du règlement sur la marque communautaire reproduit en substances les termes de l’art. 5 al. 1, de la directive. Néanmoins il est tout aussi incontestable que les buts poursuivis par le OHMI sont différents de ceux des juridictions nationales ayant à statuer conformément aux buts définis par la directive.
Si la Cour européenne acceptait trop facilement de considérer un signe comme identique à une marque enregistrée, elle élargirait la possibilité d’interdire l’usage d’un signe, sans preuve de risque de confusion, au-delà des circonstances dans lesquelles un tel risque peut être présumé exister. La réponse que la Cour va donner à la question préjudicielle sera le premier jugement à interpréter exactement ce qui est énoncée sous a) de paragraphe 1 de l’art. 5 de la directive. Les autres éléments du même article étaient déjà, dans les années récentes, l’objet des décisions à titre préjudiciel. L’interprétation rendue dans le jugement à venir, qui sera prononcé au cours de l’an 2002, aura des conséquences graves pour la juridiction française par rapport au concept de «contrefaçon partielle» ou de «contrefaçon par adjonction». Grâce au principe de la primauté du droit communautaire sur l’ensemble des règles nationales tous les autres Etats membres seront également obligés à suivre l’interprétation de la directive donnée par la Cour.
La marque communautaire est devenue un instrument légal duquel se servent les entreprises suisses dans des chiffres remarquables. Pour ceux il est important de savoir si les décisions prononcées par l’OHMI sont en harmonie avec les juridictions nationales dans les Etats membres de la CE.



*  Deutscher Rechtsanwalt, Zürich. Die Vorschriften des EG-Vertrages sind, wo nicht anders vermerkt, in der Fassung des Vertrages von Amsterdam wiedergegeben.
1Europäischer Gerichtshof.
2Rechtssache C-291/00 der S.A. Société LTJ Diffusion gegen Société s.A. Sadas Vertbaudet; üblicherweise werden die Verfahren und Urteile vor bzw. von den Gerichten der EG ausser mit dem Aktenzeichen noch mit einem einprägsamen Kürzel bezeichnet.
3Erste Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (89 / 104 / EWG).
4Ausführlich: Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle); Näheres unter www.oami.eu.int.
5Vgl. Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 3288/94.
6Vgl. oben Fn. 5.
7Vgl. oben Fn. 3.
8Entscheidung Nr. 905/1999 vom 8. Oktober 1999, abrufbar unter www.oami.eu.int.
9Inhaberin der Marke "Arthur", Widerspruchsführerin und Beschwerdeführerin.
10Vgl. A. SCHWARZE, Zukünftige Sachmängelgewährleistung in Europas: ZEuP 3/2000, 548, wo es um die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Deutschland geht.
11BGBl. I 3082, berichtigt 1995 I 156.
12In § 14 des deutschen Markengesetzes findet sich infolgedessen eine annähernd wortgenaue Übertragung der Vorschriften aus Art. 5 der Richtlinie 89 / 104 EWG. Andererseits musste dieses für Deutschland damals neu geschaffene Markengesetz inzwischen schon wieder einer weitreichenden Änderung und vier geringfügigen Anapssungen unterzogen werden. Für Richtervorlagen besteht auch bei dieser Art der Transformation Gelegenheit, wie der vom Gerichtshof mit Urteil vom 4. Oktober 2001 (C-517/99, "Bravo") entschiedene Fall zeigt. In die Liste absoluter Schutzhindernisse hatte der deutsche Gesetzgeber eine textlich, im Verhältnis zur Richtlinie, eher unbedeutende Präzisierung eingefügt, die vom Bundespatentgericht aufgegriffen und zum Gegenstand eines Ersuchens um Vorabentscheidung gemacht worden war.
13 
Art. L 713-2 lautet (auszugsweise): Sont interdits, sauf autorisation du propriétaire:
a) la reproduction, l'usage ou l'apposition d'une marque, même avec l'adjonction de mots tels que: " formule, façon, système, imitation, genre, méthode", ainsi que l'usage d'une marque reproduite, pour des produits ou services identiques à ceux désignés dans l'enregistrement;
b) (...).
Art. L 713-3 lautet:Sont interdits, sauf autorisation du propriétaire, s'il peut en résulter un risque de confusion dans l'esprit du public:
a) la reproduction, l'usage ou l'apposition d'une marque reproduite, pour des produits ou services identiques à ceux désignés dans l'enregistrement.
14W. HAKENBERG / C. STIX-HACKL, Handbuch zum Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, 2. Aufl., Wien 2000, 57.
15Vgl. Art. L. 716-3 CPropI: Les actions civiles relatives aux marques sont portées devant les tribunaux de grande instance ainsi que les actions....
16Einheitliche Europäische Akte, verabschiedet am 17./18. Februar 1986, in Kraft getreten am 1. Juli 1987.
17Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, in Kraft getreten am 1. Mai 1999.
18Vgl. Begründungserwägungen der Verordnung (EG) Nr. 40/94.
19Siehe Art. 118 der VO 40/94.
20Vgl. ARt. 125 der VO 40/94.
21Die Sprachen des Amtes sind Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch.
22Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke.
23Vgl. Art. 63 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 i. V. m. Art. 225 Abs. 2 EGV, der seinerseits auf den Zuständigkeitskatalog im Einrichtungsbeschluss 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988, inzwischen mehrfach neugefasst, Bezug nimmt.
24Vierter Titel, Art. 130 bis 136 der Verfahrensordnung des Gerichtes erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 2. Mai 1991, zuletzt geändert am 6. Dezember 2000.
25Rechtssache C-383/99.
26Vgl. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 40/94.
27Vgl. Verfahrensordnung (oben Fn. 24).
28Vgl. Titel II, Art. 4 bis 24 der Verordnung (EG) 40/94.
29Vgl. Entscheidung des Harmonisierungsamtes vom 9. Oktober 1999 in der Sache "Arthur et Félicie" (oben Fn. 8).
30Vgl. R. KNAAK, Grundzüge des Gemeinschaftsmarkenrechts..., GRURInt 2001, 665, 671.
31KOM (2000) 412 endg.
32Vgl. Kapitel IV, ARt. 30 bis 45 des Verordnungsentwurfes: Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Gemeinschaftspatente betreffen.
33Vgl. Bericht der Reflexionsgruppe über die Zukunft des Gerichtssystems der Europäischen Gemeinschaften vom 18./19. Januar 2000; abrufbar unter www.curia.eu.int.
34Vgl. R. INGERL, Die markenrechtliche Rechtsprechung des EuGH, GRURInt 2001, 581, 586.
352. Abschnitt, Art. 106, 107 unter der Überschrift: Anwendung des einzelstaatlichen Rechts zum Zweck der Untersagung der Benutzung von Gemeinschaftsmarken.
36Vgl. R. KNAAK, (Fn. 30), 668.
37Vgl. R. INGERL, (Fn. 34), 588.


 


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