sic! 2003 Ausgabe 3
RETO M. HILTY*

Elektronische Pressespiegel: iura novit curia?

Elektronische Pressespiegel werfen eine ganze Reihe von Rechtsfragen auf. Während in Deutschland einige Entscheidungen – und jüngst namentlich ein Urteil des BGH – etwas Licht in die Dunkelheit gebracht haben, tappen die Schweizer Gerichte – von der Lehre kaum unterstützt – noch weitgehend im Dunkeln. Nach einer ersten aus Bern liegt nun eine zweite Entscheidung aus Basel-Stadt vor, die freilich eine wenig konsistente rechtliche Sicht der Dinge vermittelt. Mit Blick auf künftige, ähnlich gelagerte Fälle können die nachstehenden Bemerkungen vielleicht helfen, auch dem schweizerischen Recht etwas klarere Konturen zu verleihen.

Les revues de presse électroniques soulèvent une série de questions juridiques. Alors qu’en Allemagne quelques décisions, dont notamment un arrêt récent du BGH, ont permis d’apporter certains éclaircissements, les tribunaux suisses – guère aidés par la doctrine – continuent en revanche à avancer à tâtons. Le canton de Berne a rendu un premier jugement en la matière. Un deuxième nous est récemment parvenu du canton de Bâle-Ville, fournissant toutefois une vision juridique peu cohérente des choses. En prévision de futurs cas semblables, les remarques suivantes permettront peut-être de donner des lignes un peu plus claires en la matière.

I.  Frage der Rechtseinräumung
1. Schweizer
2. Deutschland
II.Frage des anwendbaren Rechts
1. Aktivlegitiamation
2. Schutzrechtsverletzung
III.Frage des Vervielfältigungsrechts
1. Flüchtige Speicherung
2. «Weitgehend vollständige Vervielfältigung»
3. Rechtsvergleichung Deutschland - Schweiz
IV.   
Frage des Eigengebrauchs
1. Rechtsvergleichung USA - Schweiz bzw. Europa - Schweiz
2. Zulässigkeit wegen «Privatgebrauchs»?
V.Frage der Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts
Die elektronischen Pressespiegel lassen uns nicht zur Ruhe kommen. In Deutschland hatte sich - nach verschiedenen Oberlandesgerichten (so das OLG Köln, GRUR 2000, 417 ff. = NJW-RR 2000, 1151 ff., oder das OLG Hamburg, NJW-RR 2001, 552 ff.; weitere Hinweise bei Th. Hoeren, Pressespiegel und das Urheberrecht, GRUR 2002, 1022 ff.) - bereits der BGH mit ihnen zu befassen (Entscheidung vom 11. Juli 2002, z.B. in GRUR 2002, 963 ff.); in der Schweiz liegt nach dem Berner Urteil (sic! 2001, 619 ff.) mittlerweile nun auch eine Basler Entscheidung vor (abgedruckt in diesem Heft, vorn 217 ff.).Ein Glanzlicht schweizerischer Rechtsprechung ist diese jüngste Entscheidung aus Basel freilich nicht, und neue Massstäbe setzt sie erst recht nicht. Wohl ist nicht zu bestreiten, dass die Beurteilung solch neuer Herausforderung gerade im Urheberrecht stets stark von rechtspolitischen Wertungen abhängt. Die Versuchung ist daher gross, bei derartigen Entscheidungen juristische Argumente nicht auf die Goldwaage zu legen und sie primär vom Resultat her zu beurteilen. So gesehen mag man dem Basler Gericht - je nach Sichtweise - durchaus attestieren, ein vertretbares Resultat gefunden zu haben. In einem etwas grösseren Kontext gesehen überzeugen seichte dogmatische Überlegungen, wie sie in der Basler Entscheidung vorherrschen, jedoch nicht. Denn gerade dort, wo neue Sachverhalte mit nicht ohne weiteres passenden Rechtsregeln zu beurteilen sind, ist die Verantwortung der Gerichte mit Blick auf die Fortentwicklung des Rechts besonders gross, und es genügt im Lichte von Art. 1 Abs. 2 ZGB eben nicht, nur den konkreten Fall zu «lösen».Bei elektronischen Pressespiegeln ist die unzureichende Reflexion der sich stellenden Rechtsfragen aber auch deswegen bedauerlich, weil die Aufmerksamkeit, welche hiesigen Entscheiden namentlich aus Deutschland entgegengebracht wird, beachtlich ist, nachdem einige Anbieter solcher Dienstleistungen - wie auch jener im fraglichen Entscheid - die Schweiz als «Fluchtland» wählen. Grund genug also, einige jener Punkte, welche für die Basler Entscheidung von Tragweite sind, etwas zu beleuchten.

I. Frage der Rechtseinräumung
1. Schweiz

Zunächst darf dem Basler Gericht attestiert werden, dass es sich bemüht, die Rechtsinstitute von Lizenz und Übertragung in den E. 2e/aa und bb von einander abzugrenzen. Hinsichtlich der Frage der praktischen Bedeutung des Unterschiedes verschwimmen die Ausführungen dann freilich. Insbesondere die Reduktion allein auf die Aktivlegitimation des derivativ Berechtigten - und v.a. die Aussage, es sei abgesehen von jener «nicht ersichtlich, inwiefern zwischen Lizenz und Rechtsübertragung zu unterscheiden wäre» - erschöpft die Frage nicht, sondern verführt im Gegenteil dazu, Ursache und Wirkung zu verdrehen. Es sei daher auf der einen Seite daran erinnert, dass der grundlegende Unterschied darin liegt, dass der Übertragung absolute Rechtswirkung zukommt, während die Lizenz nach überwiegender Auffassung bloss schuldrechtlich wirkt (Übersicht über den aktuellen Meinungsstand bei R. M. Hilty, Lizenzvertragsrecht, Bern 2000, 122 ff.). Daraus fliesst zwar in der Tat, dass die Aktivlegitimation nur bei der Übertragung von vornherein gegeben ist und bei der Lizenz eben nicht. Ebenso fliesst daraus aber auch etwa der - jedenfalls im Urheberrecht - grundsätzlich fehlende Sukzessionsschutz des Lizenznehmers im Falle einer späteren Übertragung des Schutzrechts vom Lizenzgeber auf einen Dritten. (Bei den Registerrechten hingegen lässt sich der Sukzessionsschutz durch Eintragung der Lizenz erreichen: z.B. Art. 34 Abs. 3 PatG, Art. 18 Abs. 2 MSchG oder Art. 15 Abs. 2 DesG.) Auf der andern Seite darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die beiden Rechtsgeschäfte von ihrer vertragsrechtlichen Konzeption her völlig unterschiedlich wirken. Die Übertragung ist im Prinzip ein einfaches Austauschverhältnis wie der Kaufvertrag. Die Lizenz demgegenüber ist deswegen komplex, weil sie ein durch vielschichtige Parteipflichten geprägtes Dauerschuldverhältnis darstellt. Zwar kann die Übertragung mit verschiedenen zusätzlichen Facetten angereichert sein und damit in scheinbar ähnlichem Gewand daher kommen wie die Lizenz. So mag sie mit einer Fiduzia - mithin der Pflicht zur Rückübertragung nach Ablauf einer bestimmten Zeit oder nach Eintritt eines Ereignisses - verknüpft oder (über die absolutrechtliche Ebene hinaus) mit weitreichenden schuldrechtlichen Pflichten hinsichtlich der Nutzung des fraglichen Immaterialgutes konkretisiert sein. Sehr typisch zeigt sich dies etwa beim im vorliegenden Fall relevanten Verlagsvertrag, der im Grundsatz auf einer absolutrechtlichen Übertragung der Rechte am Vertragsgegenstand beruht (mit Fiduzia, Art. 381 Abs. 1 OR, und schuldrechtlichen Spezifikationen, Art. 383 ff. OR), ausnahmsweise - nämlich im Falle des Art. 382 Abs. 2 und 3 OR - aber stattdessen eine schuldrechtliche Lizenzeinräumung voraussetzt (zur Begründung R. M. Hilty, Basler Komm., 2. Aufl., Basel 1996, OR 382 N 4 ff.; undeutlich insoweit E. 2e/bb). Mit Blick auf die Vertragspflichten scheint dies prima vista nicht zu substanziellen Unterschieden zu führen. Gleichwohl bleiben Übertragung und Lizenz in vielerlei Hinsicht etwas grundlegend Unterschiedliches, was sich namentlich etwa im Falle von Leistungsstörungen deutlich zeigt.

2. Deutschland
Richtig ist sodann zwar, dass im deutschen Urheberrecht eine Rechtsübertragung überhaupt nicht möglich ist, sondern nur eine sog. konstitutive Nutzrechtseinräumung (§ 29 S. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 UrhG; E. 2e/bb). Diese ähnelt ihrem Wesen nach an sich einer Lizenz, entfaltet jedoch absolutrechtliche Wirkung. Mit diesem «Übertragungssurrogat» schafft das deutsche Urheberrecht eine ähnliche Wirkung zugunsten des Berechtigten wie die Übertragung, insbesondere bewirkt es also seine Aktivlegitimation. Allein, dieser Unterschied braucht ein schweizerisches Gericht solange nicht zu interessieren, als schweizerisches Urheberrecht zur Anwendung gelangt. Relevant wird die abweichende Rechtslage folglich erst, wenn kollisionsrechtliche Überlegungen zur Anwendung deutschen Rechts führen. Ob solches im Falle des in Basel zu beurteilenden elektronischen Pressespiegels der Fall war, vermag das Gericht allein mit dem Hinweis auf die Abgrenzung von Immaterialgüterkollisionsrecht (die Rede ist vom Schutzlandprinzip, gemeint Art. 110 IPRG) und dem für das Schuldrecht geltenden Kollisionsrecht (Art. 122 IPRG) aber nicht schlüssig zu ergründen.

II. Frage des anwendbaren Rechts

1. Aktivlegitimation

Aus der Nähe betrachtet hat die Frage, ob der genannte deutsche § 31 UrhG im beurteilten Fall überhaupt zum Tragen kommt, mit dem vom Basler Gericht einzig zitierten Art. 122 Abs. 3 IPRG betreffend Verträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern überhaupt nichts zu tun. Ausgehend vom Sachverhalt, dass (u.a.) deutsche Zeitungen von einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen eingescannt und die so erfassten Texte in elektronischer Form an Dritte geliefert werden, welche wiederum z.T. in Deutschland ihren Sitz haben, und unter dem Gesichtspunkt, dass es nun diese deutschen Zeitungen sind, die in der Schweiz eine Schutzrechtsverletzung geltend machen, stellt sich die Rechtslage vielmehr wie folgt dar:
- Die Frage, inwieweit ein Immaterialgut übertragen wurde - bzw. generell die Frage der Übertragungsvoraussetzungen - richtet sich nach ganz herrschender Auffassung ebenso nach dem Kollisionsrecht für das Immaterialgüterrecht (also Art. 110 Abs. 1 IPRG) wie jene, ob ein Schutzrecht verletzt sei. Dies erhellt daraus, dass bei solchen Fragen die schutzrechtliche, also die absolutrechtliche, erga omnes wirkende Ebene zur Debatte steht (R. Bär, Das internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) des Immaterialgüterrechts und des Wettbewerbsrechts, SIWR I/1, 2. Aufl., Basel 2002, 153; F. Vischer / L. Huber / D. Oser, Internationales Vertragsrecht, Bern 2000, Rn. 595; G. Jegher / A. K. Schnyder, Basler Komm, Ba-sel 1996, IPRG 122 N 10 f.; M. Keller / J. Kren Kostkiewicz, IPRG Kommentar, Zürich 1993, IPRG 122 N 21, m.w.H.; U. Zenhäusern, Der internationale Lizenzvertrag, Freiburg 1991, 88; F. Vischer, Das Internationale Privatrecht des Immaterialgüterrechts nach dem schweizerischen IPR-Gesetzentwurf, GRUR Int. 1987, 680; s.a. BGer, SMI 1992, 248 E. 4a, allerdings einen Fall vor Inkrafttreten des IPRG betreffend).
- Das internationale Schuldvertragsrecht demgegenüber ist für die Frage relevant, ob ein mit dem Immaterialgut zusammenhängender Vertrag (wie eben der Übertragungsvertrag im schweizerischen oder die Nutzrechtseinräumung im deutschen Recht) als solcher schuldrechtlich überhaupt zustande gekommen ist bzw. wie er als solcher - inter partes - wirkt (Art. 110 Abs. 3 i.V.m. Art. 122 IPRG; Jegher / Schnyder, IPRG 122 N 12; Zenhäusern, 89; Keller / Kren Kostkiewicz, IPRG 122 N 26; BGer, SMI 1992, ebd.). - Sind Immaterialgüterrechtsverträge dabei nach einer andern Rechtsordnung gestaltet worden als jener, die für das absolut wirkende Immaterialgüterrecht massgebend ist - im konkreten Fall also nach deutschem und nicht nach schweizerischem Recht -, so kann dies in gewissen Konstellationen zu Widersprüchen oder jedenfalls Unstimmigkeiten zwischen den Kollisionsrechtsregeln für das Immaterialgüterrecht einerseits und das Vertragsrecht andrerseits führen. Wie damit umzugehen ist, wird graduell unterschiedlich gesehen. Entweder soll das Kollisionsrecht für das Immaterialgüterrecht jenes für das Vertragsrecht zurückdrängen (so Keller / Kren Kostkiewicz, IPRG 122 N 18), bzw. der Vertrag soll sich im Falle von Unstimmigkeiten anzupassen haben (so Vischer, GRUR Int. 1987, 681; Zenhäusern, 89, allerdings beschränkt auf den Lizenzvertrag); oder aber die Vorschriften des Schutzlandes sollen bei der Bestimmung des Vertragsinhaltes zu berücksichtigen sein (so Jegher / Schnyder, IPRG 122 N 12).
Genau diese Konfliktkonstellation zwischen Immaterialgüter- und schuldrechtlichem Kollisionsrecht trat in dem in Basel zu beurteilenden Fall nun auch tatsächlich ein. Im Prinzip war nämlich zu entscheiden, ob die Klägerinnen auch in der Schweiz das (deutsche) Nutzungsrecht geltend machen konnten - eine Rechtsfigur, die es im schweizerischen Recht allerdings gar nicht gibt; oder ob sie nur eine eigentliche (dem schweizerischen Recht allein bekannte) Rechtsübertragung reklamieren konnten, die vor dem Hintergrund des deutschen Urheberrechts effektiv aber gar nie stattgefunden haben konnte. Das Gericht scheint zunächst auf die erste Lösung zu schliessen (d.h. es stützt sich auf die deutsche Nutzrechtseinräumung: E. 2e/bb), gleitet in der Folge dann aber ohne jede Begründung doch zur zweiten hinüber (E. 2e/cc, wo nur noch von einer Rechtsübertragung die Rede ist).
Richtig betrachtet hätte diese Frage indessen sowieso offen bleiben können - zumindest dann, wenn es korrekt gewesen wäre, es bei der Prüfung der Frage der Aktivlegitimation der Klägerinnen 2 und 3 zur Geltendmachung einer Urheberrechtsverletzung bewenden zu lassen. Denn diese Frage beschlägt nicht die schuldrechtliche Ebene jener Verträge, auf welche sich die Klägerinnen beriefen (weshalb die Abstützung des Gerichts auf Art. 122 Abs. 3 IPRG fehl geht), sondern die durch diese Verträge zugunsten der Klägerinnen erreichte absolute Wirkung des Schutzrechts. Eine solche konnte bei der gegebenen Konstellation aber ohnehin nach beiden Rechtsordnungen erreicht werden: In der Schweiz auf der Basis der dort erfolgten Rechtsübertragung, in Deutschland auf jener der Nutzungsrechtseinräumung. Allein, mit der Frage der Aktivlegitimation ist der Fall nicht wirklich richtig gelöst.

2. Schutzrechtsverletzung
Auch wenn sich das Basler Gericht mit Bezug auf die Klägerinnen 2 und 3 - offenbar unstrittig - für örtlich zuständig hielt (was Art. 109 Abs. 1 IPRG bzw. Art. 2 LugÜ, die am Wohnsitz des Beklagten in der Schweiz anknüpfen, zwar bestätigen, im Lichte von Art. 5 Abs. 3 LugÜ - der am Ort anknüpft, «an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist» - jedoch nicht etwa zwingend gewesen wäre), so bedeutete dies - entgegen der scheinbar stillschweigenden Annahme des Gerichts - nicht, dass auch ohne weiteres schweizerisches Urheberrecht zur Anwendung gelangte. Mit Blick auf das Immaterialgüterkollisionsrecht - und nur um dieses kann es bei einer Verletzungsklage gehen - ist dafür vielmehr jenes Schutzland relevant, in welchem das (dortige) Schutzrecht verletzt wird (Art. 110 Abs. 1 IPRG).
Wenn die einzelnen Nutzungshandlungen nun schon an anderer Stelle von einander abgegrenzt werden (E. 2g/bb), müsste sich das Gericht folglich auch mit Blick auf das Kollisionsrecht die Frage stellen, welche Handlung welches Schutzrecht verletzt. Denn im Prinzip besteht das Urheberrecht in beiden Ländern als separates subjektives Recht, d.h. durch seine Handlungen kann der Beklagte das schweizerische, das deutsche oder auch beide Schutzrechte verletzen. Dabei kann zwar ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Vervielfältigung der fraglichen Texte in der Schweiz stattfindet, diese Teilhandlung also auch nur das hiesige Recht verletzen kann (d.h. Art. 10 Abs. 2 lit. a URG). Für die Verbreitungshandlung hingegen ist die Sachlage nicht so eindeutig. Sie nimmt ihren Anfang zwar auch in der Schweiz, setzt sich in Deutschland aber fort. Nachdem die - hier nicht abgedruckten - Parteianträge nur auf Unterlassung lauteten (und im Lichte des Grundsatzes iura novit curia), hätte das Gericht unter Beachtung von Art. 110 Abs. 1 IPRG also zumindest für den letztgenannten Teil der Handlung des Beklagten das deutsche Recht wenigstens im Auge behalten müssen.
Diese Erkenntnis ist umso bedeutender, als die Frage der Zulässigkeit von (auch traditionellen) Pressespiegeln in Deutschland auf der Basis von Rechtsgrundlagen beurteilt wird, die von den schweizerischen erheblich abweichen (dazu nachstehend 3c). Das Basler Gericht hätte also - wenn es sich schon als zuständig erachtete - selbst dann, wenn es zur Erkenntnis gelangt wäre, nach schweizerischem URG seien die hier getätigten Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen vollumfänglich zulässig, im Lichte von Art. 110 Abs. 1 IPRG zusätzlich prüfen müssen, ob allenfalls deutsches Recht verletzt sein könnte. Dies gilt umso mehr, als im Zeitpunkt der Entscheidfindung in Basel mit Bezug auf die Frage der Zulässigkeit von elektronischen Pressespiegeln in Deutschland noch eine ganze Reihe - restriktiver - Entscheidungen von Oberlandesgerichten beachtlich gewesen wären (vgl. die Zitate am Anfang); denn die jüngste - liberalere - BGH-Entscheidung erging erst ca. drei Wochen nach jener des Basler Gerichts.

III. Frage des Vervielfältigungsrechts

1. Flüchtige Speicherung

Aus heutiger Sicht müssig erscheint die vom Basler Gericht in E. 2f darüber geführte Diskussion, ob die flüchtige Speicherung z.B. im RAM-Speicher ebenfalls unter Art. 10 Abs. 2 lit. a URG zu subsumieren sei. Zum einen wäre es mit Blick auf den ausserhalb der Schweiz üblichen Sprachgebrauch an der Zeit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Reflexionen über den Begriff des «Werkexemplars» nicht weiter führen, weil jener noch von der Vorstellung handelbarer Güter wie dem Buch oder der Schallplatte geprägt ist. Dieser Denkansatz war jedoch schon im Zeitpunkt des Erlasses des URG im Jahre 1992 veraltet, und mit den heutigen Technologien führt er erst recht an den relevanten Fragestellungen vorbei. Jene richten sich international längst ausschliesslich danach, ob das Werk - in welcher greifbaren oder nicht greifbaren Form immer - «vervielfältigt» wird oder nicht. Die Umwege, die das Gericht zur Erkenntnis führen, die Handlung der Beklagten sei tatbestandsmässig, wären also verzichtbar gewesen.
Zum andern mag es vor einigen Jahren noch spannend gewesen sein, zu ergründen, ob mit dem Begriff der Vervielfältigung bloss die dauerhafte oder auch die flüchtige, sog. «ephemere» Kopie erfasst sein soll. Wenn heute diesbezüglich einzig noch auf die - in solchen Fragen halt schon nach kurzer Zeit überholte - heimische Lehre abgestellt wird, erscheint dies mittlerweile aber ziemlich weltfremd. Denn auf europäischer Ebene besteht auf der Basis der Richtlinie 2001/29 vom 21. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, 10) seit einiger Zeit eine eindeutige Regelung. Festgelegt wird dort nicht nur, dass auch die flüchtige Vervielfältigung rechtlich grundsätzlich relevant ist (Art. 2: «unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form»). Art. 5 Abs. 1 stellt auch klar, dass «vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, a) eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder b) eine rechtmässige Nutzung eines Werks oder sonstigen Schutzgegenstandes zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben», vom Vervielfältigungsrecht (in der Schweiz Art. 10 Abs. 2 lit. a URG) ausgenommen sind. Natürlich ist die Schweiz nicht verpflichtet, dieser Europäischen Rechtsanordnung zu folgen; gerade für das Urheberrecht dürfte es aber nach wie vor richtig sein, nicht ohne Not vom europäischen Recht abweichende Lösungen zu suchen (so die Botschaft zum geltenden URG, BBl 1989 III 607 ff.). Denn dass sich die einstige Vorstellung eines Beitritts der Schweiz zum EWR als falsch erwiesen hat, gibt kaum einen Freipass dafür, die internationale und europäische Rechtsentwicklung heute zu ignorieren. Tatsächlich tippt das Basler Gericht den Art. 2 der genannten Richtlinie auch kurz an, sieht den Zusammenhang zwischen jenem und Art. 5 der Richtlinie aber nicht, sondern bringt letztere Norm wiederum an anderer Stelle - dort wenig passend (bezogen auf die Frage des Eigengebrauchs, E. 2g/bb; dazu nachstehend IV.) - ins Spiel.
Legt man dem zu entscheidenden Sachverhalt diese Wertung des Europäischen Rechts zu Grunde, erhellt, dass im konkreten Fall von vornherein kaum Spielraum bestehen konnte, weil die (flüchtige) Speicherung als solche offensichtlich - zumindest teilweise (dazu nachstehend IV. 2., a.E.) - eigenständigen wirtschaftlichen Zwecken diente. Aus dogmatischer Sicht diskutabel erscheint immerhin der Weg, wie man zu diesem Resultat gelangt. Denn sollte Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie als Schrankenbestimmung aufgefasst werden, und fehlt eine solche im geschriebenen Recht der Schweiz, müsste hier wohl von einer ungeschriebenen Schranke ausgegangen werden (Art. 1 Abs. 2 ZGB), um zum gleichen Ziel zu gelangen. Sollte in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie hingegen eine «Tatbestandsreduktion» erblickt werden - was nicht abwegig ist, weil dieser Absatz nämlich zwingend festhält, dass die fraglichen Nutzungen vom Vervielfältigungsrecht «ausgenommen» seien, während den Mitgliedstaaten nach andern Absätzen «Ausnahmen oder Beschränkungen» (also das Normieren von Tatbestandsreduktionen oder Schranken) freigestellt werden -, so spricht nichts dagegen, auch Art. 10 Abs. 2 lit. a URG von vornherein so zu verstehen ist, dass flüchtige Speicherungen nur dann als Vervielfältigung im Rechtssinne zu gelten haben, wenn ihnen die notwendige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Letztlich ist der Weg aber weniger relevant als die Tatsache, dass der Gehalt von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie auch in der Schweiz jedenfalls Beachtung finden sollte.

2. «Weitgehend vollständige Vervielfältigung»

Im gegebenen Kontext stellte sich die Frage, was in Art. 19 Abs. 3 lit. a URG die nicht zulässige «weitgehend vollständige Vervielfältigung» heisst (E. 2g/aa). Ein gutes Jahr früher hatte sich schon der AppHof Bern mit dieser Frage zu befassen (sic! 2001, 619 ff., E. 7); die dort getroffene Annahme, die Grenze liege bei 90% (so auch C. Gasser, Der Eigengebrauch im Urheberrecht, Bern 1997, 121, wiederum gestützt auf U. Loewenheim, in: G. Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., München 1999, UrhG 53 N 49), wird vom Basler Gericht aber mit keinem Wort aufgenommen, ebenso wenig die an jener Zahl geübte Kritik (R.M. Hilty, sic! 2001, 628). Das Gericht hält es überhaupt nicht für nötig, auch nur eine Literaturmeinung zu berücksichtigen - wir wissen daher auch nicht, ob die stattdessen hingeworfene Zahl von «drei Viertel der redaktionellen Artikel einer Rubrik» z.B. auf W. Nordemann beruht (in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., Stuttgart 1998, UrhG 53 N 11). In der Tat hat zwar «das Gericht das zulässige Mass festzulegen», doch schafft es wenig Überzeugungskraft, wenn es dabei nicht einmal den Versuch unternimmt, «bewährter Lehre und Überlieferung» zu folgen (Art. 1 Abs. 3 ZGB).
Darüber hinaus wäre es - wie schon zum Berner Fall angemerkt - im Rahmen der Rechtsfindung auch nie verkehrt, sich über die ratio einer Norm Rechenschaft abzulegen. Sollte man etwa mit guten Gründen davon ausgehen, es gehe bei der genannten Begrenzung der Schranke zum Eigengebrauch darum, die im Original enthaltene Auswahl so zu reduzieren, dass das Kopierte im Verhältnis zum Original für den durchschnittlichen Abnehmer kein im Wesentlichen gleichwertiges Substitutionsprodukt darstellt (ähnlich zum deutschen Recht Loewenheim, ebd., insb. auch mit Überlegungen zur Frage elektronischer Pressespiegel; s.a. Nordemann, ebd.), so erhellt, dass das Fixieren einer festen Zahl gar nicht unbedingt Sinn zu machen braucht. Angemessener könnte stattdessen eine einzelfallbezogene - qualitative - Betrachtungsweise sein.
Tatsächlich kommt das Basler Gericht derartigen Überlegungen wenige Zeilen vorher auch noch recht nahe, indem es erkennt, «selbst wenn quantitativ wesentlich weniger als die Hälfte des Zeitungsumfangs erfasst» werde, sei dies als «weitgehend vollständige Vervielfältigung» zu werten, sofern «praktisch alle Artikel, die für ein bestimmtes Zielpublikum von Interesse sein können und typischerweise gelesen werden», erfasst würden. Wieso sich das Gericht unmittelbar anschliessend an diese Erkenntnis - mit der Begründung des zu weit gehenden klägerischen Begehrens - auf die Zahl «drei Viertel» einschwört, ist angesichts dieser Erkenntnis umso weniger ersichtlich.

3. Rechtsvergleichung Deutschland - Schweiz
Mit Blick auf solche Fragestellungen deutlich hervorzuheben ist auf der andern Seite nun allerdings auch, dass eine Rechtsvergleichung mit dem deutschen UrhG nicht ganz so problemlos ist, wie es den Anschein macht. Die Frage der Zulässigkeit von Pressespiegeln wird in Deutschland nämlich nicht auf der Basis des (dem Art. 19 URG im Wesentlichen entsprechenden) § 53 UrhG geführt, sondern gestützt auf das Presseprivileg in § 49 UrhG (grundlegend für die Erweiterung auf elektronische Pressespiegel BGH vom 11. Juli 2002, GRUR 2002, 964 ff., m.w.H.). Diesem entspräche in der Schweiz im Prinzip Art. 28 Abs. 2 URG, doch sind diese Normen nicht kongruent. Im schweizerischen Recht dürfen (nur) «kurze Ausschnitte aus Presseartikeln sowie aus Radio- und Fernsehberichten» frei - aber unter Quellenangabe - vervielfältigt, vorgeführt und gesendet oder weitergesendet werden. Damit wird - anders als in Deutschland und früher auch in der Schweiz (Art. 25 aURG 1922; s.a. Art. 10bis Abs. 1 RBÜ) - nicht dahingehend unterschieden, dass bei gewissen Tagesfragen (politische, wirtschaftliche oder religiöse: § 49 Abs. 1 UrhG) Beiträge ganz, aber gegen Vergütung entnommen werden dürfen, andere (vermischte Nachrichten tatsächlichen Inhalts und Tagesneuigkeiten: Abs. 2) jedoch unbeschränkt. Vielmehr verunmöglicht schon die Voraussetzung des bloss «kurzen Ausschnittes» die Anwendung des Art. 28 URG auf - traditionelle wie elektronische - Pressespiegel, weil diese regelmässig vollständige Zusammenstellungen von Artikeln darstellen.
Eine Rechtsvergleichung mit der Parallelnorm zu Art. 19 URG im deutschen Recht geht damit ins Leere. Dies zu beachten ist namentlich bei der vorstehend unter 2. beleuchteten Frage, was eine «im wesentlichen vollständige Vervielfältigung» darstellt, wesentlich. Denn jene wird in Deutschland nicht vor dem spezifischen Hintergrund von Pressespiegeln diskutiert, sondern - gestützt auf § 53 UrhG - z.B. bezogen auf gewöhnliche Buchkopien.

IV. Frage des Eigengebrauchs
Bei elektronischen Pressespiegeln, die für den internen Gebrauch eines Dritten erstellt werden, liegt der Gedanke, sich auf Eigengebrauch zu berufen, recht nahe. Im Basler Entscheid will allerdings nicht so recht klar werden, was das Gericht in E. 2g/bb eigentlich wirklich untersucht. Nicht ersichtlich ist allein schon, worin es die Konstellation des Eigengebrauchs - Privatgebrauch, Schulzwecke oder innerbetriebliche Zwecke - erblickt, denn es differenziert nicht klar zwischen den verschiedenen Schrankenbestimmungen von Art. 19 URG. Noch mehr verwirren die Erwägungen dadurch, dass es eine Rechtsvergleichung sucht, deren Zweck verschwommen bleibt. Insgesamt drängen sich also auch zur Frage des Eigengebrauchs einige Bemerkungen auf.

1. Rechtsvergleichung USA - Schweiz bzw. Europa - Schweiz
Im Spannungsfeld von Ausschliesslichkeitsrecht und Schrankenbestimmungen lässt sich das Basler Gericht dazu hinreissen, zum Vergleich mit dem schweizerischen das US-amerikanische Recht heranzuziehen. Dabei legt es sich offenbar keine Rechenschaft darüber ab, dass letzteres auf einem gänzlich anderen dogmatischen Konzept beruht, nämlich dem flexiblen Ansatz des «fair use» (17 U.S.C.A. § 107). Eine Rechtsvergleichung wäre folglich nur auf der Basis einer Analyse des diesbezüglichen «case law» möglich - was einem schweizerischen Gericht gewiss nicht zuzumuten ist. Nur sollte es sich eines solch saloppen, wohl aus einer Rechtschrift abgeschriebenen Einwurfs dann doch besser gänzlich enthalten.
Wesentlich sinnvoller erscheint ein Vergleich mit dem Europäischen Recht. Allein, hier bleiben die genaue Fragestellung bzw. der Grund, weshalb der Vergleich überhaupt gesucht wird, diffus. Geht es nämlich um den eigentlichen Privat-oder den Schulgebrauch (Art. 19 Abs. 1 lit. a und b URG), so bestehen die Unterschieden zwischen den schweizerischen Schrankenbestimmungen und dem Europäischen Recht einzig auf dogmatischer Ebene, ohne dass dies im Resultat zu unüberwindbaren Unterschieden führen würde. Denn die Tatsache, dass das diskutierte Wiedergaberecht in der Richtlinie Nr. 2001/29 (vorn III. 1.) auf den Fall der öffentlichen Wiedergabe beschränkt ist, bedeutet, dass eine private Wiedergabe im Europäischen Recht schon gar nicht tatbestandsmässig ist. In der Schweiz demgegenüber erfasst der Tatbestand in Art. 10 Abs. 2 lit. c URG zwar jegliche Wiedergabe; die Schranke in Art. 19 Abs. 1 lit. a und b URG erfasst das Wiedergaberecht aber ebenfalls, was sich daraus ergibt, dass jene Bestimmungen - identisch wie Art. 10 Abs. 1 URG - den umfassenden Begriff der «Verwendung» des Werks gebrauchen. Damit ist die Möglichkeit der rein privaten oder zu schulischen Zwecken erfolgenden Wiedergabe in der Schweiz letztlich ebenso gegeben.
Für den Fall des betriebsinternen Gebrauchs demgegenüber enthält Art. 19 Abs. 1 lit. c URG eine engere Formulierung, indem nur das «Vervielfältigen» - also nicht jede Werkverwendung - zugelassen wird. Ob daraus zu schliessen ist, in Betrieben sei eine Wiedergabe nicht zulässig, weil diese Schranke dem Art. 10 Abs. 2 lit. c URG nicht entgegenstehe, ist indessen zweifelhaft. Praktisch würde dies bedeuten, dass Betriebe zwar z.B. Presseartikel kopieren dürften (Art. 10 Abs. 2 lit. a URG), jedoch schon die Verbreitung der Kopien im eigenen Hause (lit. b) nicht mehr zulässig wäre, und es insbesondere auch verboten wäre, den Artikel z.B. einzuscannen und einzelnen Mitarbeitern als Attachment zu einem Mail zuzuleiten. Eine derartige Einengung würde dem Zweck der Norm mit Blick auf deren praktischen Nutzen kaum gerecht, und sie war historisch gesehen auch gar nicht gewollt. Hintergrund der Norm war der in BGE 108 II 475 zu beurteilende PTT-Pressespiegel gewesen; verfolgt wurde das Ziel, die übliche betriebsinterne Werknutzung «aus der Illegalität herauszuführen» (BBl 1989 III, 538). Im Vergleich zu Art. 19 Abs. 1 lit. a und b URG enger gefasst wurde lit. c zwar, um im Lichte von Art. 11 und 11ter RBÜ keine Konventionswidrigkeit zu riskieren (BBl 1989 III, 540). Im Unterschied zum heutigen Gesetz erlaubte der Bundesratsentwurf in lit. c - nebst dem Herstellen von Werkexemplaren - jedoch auch noch deren Verbreitung; entfallen ist diese Klarstellung zwecks Straffung des Gesetzestextes (Gasser, 99). Wiewohl sich die Reichweite der Schranke in lit. c damit über den wörtlich genommenen Gesetzestext hinaus erstrecken dürfte, erlauben es auf der andern Seite weder der verfolgte Zweck noch der - letztlich doch gewollt engere - Wortlaut wie auch das internationale Recht kaum, die Norm über das «fotografische» Einscannen und Vertreiben von Presseartikeln hinaus greifen zu lassen. Nicht erlaubt wäre es daher, z.B. auf der Basis einer eigentlichen Texterkennung ein betriebsinternes Pressearchiv anzulegen (ablehnend - allerdings generell, gestützt auf § 49 UrhG; vorn III., a.E. - BGH vom 11. Juli 2002, GRUR 2002, 966 f.; zum schweizerischen Recht wie hier Gasser, 98; wohl eher weniger eng D. Barrelet / W. Egloff, Das neue Urheberrecht, 2. Aufl., Bern 2000, URG 19 N 6; I. Cherpillod, SIWR II/1, Basel 1995, 247; ohne spezifische Unterscheidung F. Dessemontet, Le Droit d'Auteur, Lausanne 1999, Rn. 420 bzw. 451; M. Rehbinder, Schweiz. Urheberrecht, 3. Aufl., Bern 2000, Rn. 142).
Zu solchen Differenzierungen, die gerade mit Blick auf die Frage der Zulässigkeit von elektronischen Pressespiegeln durchaus praktische Bedeutung erlangen, stösst das Basler Gericht freilich nicht vor. Es verheddert sich stattdessen in seiner Rechtsvergleichung mit dem Europäischen Recht, zielt mit Bezug auf jenes aber bei genauerem Hinschauen ohnehin an der relevanten Norm vorbei. Denn es übersieht, dass es für die konkrete Frage der Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel im Europäischen Recht gar nicht bei den allgemeinen Tatbeständen der rechtsrelevanten Werknutzung anzuknüpfen bräuchte; vielmehr besteht in der bereits erwähnten Richtlinie Nr. 2001/29 (vorn III. 1.) mit Art. 5 Abs. 3 lit. c eine spezifische Norm. Sie erlaubt es den Mitgliedstaaten, Schranken vorzusehen «für die Vervielfältigung durch die Presse, die öffentliche Wiedergabe oder die Zugänglichmachung von veröffentlichten Artikeln zu Tagesfragen wirtschaftlicher, politischer oder religiöser Natur oder von gesendeten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen dieser Art, sofern eine solche Nutzung nicht ausdrücklich vorbehalten ist und sofern die Quelle, einschliesslich des Namens des Urhebers, angegeben wird, oder die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern - ausser in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle einschliesslich des Namens des Urhebers, angegeben wird». Diese Norm steht in Übereinstimmung mit der vorstehend skizzierten deutschen Rechtslage (§ 49 UrhG: vorn III. 3.; s.a. BGH vom 11. Juli 2002, GRUR 2002, 967), während ihr der schweizerische Art. 28 URG aus den ebenfalls bereits genannten Gründen nicht gerecht zu werden vermag. Wohl steht es der Schweiz frei, die Frage der Zulässigkeit (elektronischer) Pressespiegel stattdessen auf der Grundlage von Art. 19 URG zu beurteilen. Soll eine Rechtsfindung auf dieser Basis gleichwohl in Abstimmung mit dem Europäischen Recht erfolgen, muss sie sich aber richtigerweise am Wertungsgehalt dieser speziellen Schranke ausrichten und nicht an einer aus der Ferne besehen ähnlich lautenden Norm.

2. Zulässigkeit wegen «Privatgebrauchs»?
Die Untersuchung der Zulässigkeit elektronischer Pressespiegel unter dem Blickwinkel des Eigengebrauchs lenkt das Basler Gericht im Anschluss an seine rechtsvergleichenden Überlegungen nun aber ohnehin auf eine seltsame Spur, indem es sich gegen das Ende von E.2g/bb einzig noch auf den eigentlichen Privatgebrauch nach Art. 19 Abs. 1 lit. a URG einschiesst. Als solchen wertet es nämlich das Einscannen von letztlich nicht für Kunden verwendeten Artikeln durch Arbeitnehmer der Beklagten - ein Gedanke, dem wahrlich schwer zu folgen ist.
Richtig ist zwar zunächst, dass Schrankenbestimmungen - wie namentlich Art. 19 URG - nicht von vornherein eng auszulegen sind (so im Resultat, mit weit reichender Interessenabwägung, auch BGH vom 11. Juli 2002, GRUR 2002, 965 f.). Vielmehr sind auch die urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen - wie Ausnahmebestimmungen generell - richtigerweise nach ihrem Sinn und Zwecke auszulegen. Die gegenteilige Behauptung macht nur unter dem Blickwinkel einer einseitigen rechtspolitischen Wertung Sinn, die sich dem Zwecke verpflichtet fühlt, dem Urheber möglichst wenig an Rechten weg zu nehmen - ein Ansatz, der den Wesenskern einer Schranke als Mittel zum Interessenausgleich jedoch völlig verkennt.
Sinn und Zweck von Art. 19 Abs. 1 lit. a URG kann auf der andern Seite aber ebenso wenig eine extrem weite Auslegung sein, indem selbst jene urheberrechtlich relevanten Handlungen am Arbeitsplatz als private Handlungen interpretiert würden, die entweder (zumindest potenziell) zum Zwecke der Belieferung von Kunden oder aber aus Anlass einer konkreten Kundenbelieferung vorgenommen werden. Denn die Erweiterung des Anwendungsbereichs jener Norm auf den Arbeitsplatz macht nur insoweit Sinn, als der Arbeitnehmer dort ausschliesslich privaten Zwecken dienend eine urheberrechtlich relevante Handlung vornimmt. In concreto erscheint die Beschränkung der Reichweite dieser Schrankenbestimmung auch deswegen angängig, weil das - praktisch sinnvolle - Resultat, es müsse erlaubt sein, zunächst eine ganze Seite einzuscannen und erst dann das nicht benötige Material elektronisch «wegzuschneiden», auch anderweitig erreichbar wäre: über den bereits genannten Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie Nr. 2001/29 (vorn III. 1.). In der Tat kann elektronischen Speicherungen von nicht benötigtem Material, die wirklich gleich wieder beseitigt werden, die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung ohne Bedenken abgesprochen werden. Bei solchen Speicherungen handelt es sich nämlich - auch wenn die Norm nicht für derartige Sachverhalte gedacht gewesen sein mag - um nichts anderes als «vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig . sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist . eine rechtmässige Nutzung eines Werks . zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben». Nicht erlaubt wäre es damit aber, die nicht benötigten Teile auf Vorrat zu speichern - falls sie ein anderer Kunde doch noch wünscht. Am Rande sei erwähnt, dass sich diese auf Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie Nr. 2001/29 stützende Abgrenzung zwischen erlaubter und nicht erlaubter Vervielfältigung aus der einschlägigen Schrankenbestimmung in Art. 5 Abs. 3 lit. c derselben Richtlinie ebenfalls nicht ohne weiteres ergibt. Auch in Anwendung des Europäischen Rechts wäre es damit wohl unumgänglich, auf Art. 5 Abs. 1 zurückzugreifen.

V. Frage der Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts
Ganz kurz tippte das Basler Gericht auch noch die Frage des Rechtsschutzes nach UWG an (E. 3c). Auch wenn dies im konkreten Fall ein blosses Nebengleis betrifft, sollte keine Gelegenheit versäumt werden, um deutlich zu machen, dass beim Lauterkeitsrecht nicht nur der Schutzzweck, sondern eben auch das Schutzobjekt bzw. das Schutzsubjekt von jenen der Immaterialgüterrechtsgesetze fundamental abweichen: Das UWG schützt «den lauteren und unverfälschten Wettbewerb» (Art. 1), und nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - den Inhaber eines subjektiven Schutzgutes. Der Einzelne wird insoweit also bloss (mittelbar) geschützt, damit er als Marktteilnehmer erhalten bleibt und dazu beitragen kann, den funktionierenden Wettbewerb zu bewahren. Aus diesem Grunde ist die Aussage von vornherein verfehlt, es könne nach UWG nicht verboten sein, was gemäss Art. 19 Abs. 2 URG erlaubt sei. Denn die abstrakte Frage, ob eine Kopie im Auftrage eines Dritten erstellt werden darf oder nicht, ist als solche überhaupt nie die Fragestellung des Lauterkeitsrechts.
Nur vermeintlich nimmt Art. 5 lit. c UWG hier eine Sonderstellung ein; denn auch diese Norm knüpft an eine konkrete Tatbestandsvoraussetzung an - an den fehlenden «angemessenen eigenen Aufwand» -, was letztlich auch bei ihr den wettbewerbsrechtlichen Charakter aufdeckt. Im Grunde muss eine konkrete Handlung daher auch dann unter UWG-Gesichtspunkten geprüft werden können, wenn sie aus immaterialgüterrechtlicher Sicht (abstrakt) erlaubt wäre, beispielsweise eben jene, welche dem Sachverhalt von Art. 19 Abs. 2 URG entspricht. Zumindest theoretisch denkbar ist nämlich etwa, dass die Handlung des Kopierens deswegen - aus wettbewerbsrechtlichen Gründen - zu beanstanden ist, weil in ihr das nach Art. 5 lit. c UWG verpönte technische Reproduktionsverfahren ohne den verlangten eigenen Aufwand zu erblicken ist, dies ungeachtet der Frage, ob die Vorlage immaterialgüterrechtlichen Schutz geniesst oder nicht. Denn Art. 5 lit. c UWG greift ja schon bei nicht geschützten Vorlagen; weshalb sollte es nun bei geschützten Vorlagen nicht möglich sein, durch unlautere Machenschaften eine Wettbewerbsverfälschung zu bewirken? Noch viel deutlicher - und als praktische Konstellation wohl eher zu erwarten - zeigt sich die Unabhängigkeit von UWG und Immaterialgüterrecht aber auch etwa dann, wenn die Tätigkeit des Kopierers unter ständiger Preisunterbietung nach Art. 3 lit. f UWG stattfindet: Nichts - und schon gar nicht ein bestehender Urheberrechtsschutz des kopierten Materials - könnte einen Wettbewerber hindern, deswegen Klage zu erheben.



* Prof. Dr. iur., Direktor Max Planck-Institut, Münche, Ordinarius an der Universität Zürich.


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