sic! 2003 Ausgabe 6
RENÉ PFROMM*

Die entgeltfreie Allokation von Emissionszertifikaten - eine wettbewerbsrechtliche Sackgasse?

Die Umsetzung des auch von der Schweiz unterzeichneten Kyoto-Protokolls zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen ist durch den Widerstand der Vereinigten Staaten und das Zögern Russlands derzeit nicht absehbar. Währenddessen befindet sich die Europäische Gemeinschaft (EG) bereits auf dem Gesetzgebungsweg zur Einführung eines EG-Emissionsrechtehandels. Dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates zur Richtlinie über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der EG (GS, ABl. EG 2003 C/25 E/72) steht nunmehr die zweite Lesung im Europäischen Parlament bevor. Indes: die derzeit vorgesehenen Zuteilungsregeln lassen Unheil befürchten. Zwar hat die Kommission mit Recht erkannt: «Allocation is about striking a balance between the theoretically desirable and the practically feasible, while keeping in mind that it defines a starting point rather than an outcome». Doch die beihilfenrechtliche Würdigung der geplanten Erstallokation weist in eine wettbewerbsrechtliche Sackgasse. Durch die Präferenz der Mitgliedstaaten zugunsten einer vollständig unentgeltlichen Erstallokation der Berechtigungen müssen diese nunmehr im Wege der Umsetzung verhindern, dass jede unentgeltliche Vergabe der Berechtigungen den EG-wettbewerbsrechtlichen Beihilfentatbestand erfüllt. Wird nicht in letzter Minute des Rechtsetzungsverfahrens die unentgeltliche Allokation gegen ein beihilfenrechtsverträgliches Modell ausgetauscht, drohen der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen eine Vielzahl neuer Beihilfenfälle. Angesichts des wachsenden Rückgriffs auf das Instrument der Nutzungsrechte sind die allokativen Schwächen des EG-Emissionsrechtehandels ein wettbewerbsrechtlich lehrreiches Beispiel für zukünftige Lizenzsysteme.

La mise en oeuvre du protocole de Kyoto concernant la Convention-cadre des Nations-Unies sur les changements climatiques, protocole qui a été également signé par la Suisse, n’est pour l’instant pas envisageable en raison de l’opposition des Etats-Unis et des hésitations de la Russie. Pendant ce temps, la Communauté européenne (CE) est en train d’introduire par voie législative un système communautaire d’échange de droits d’émission. La position commune arrêtée par le Conseil en vue de l’adoption de la directive établissant un système d’échange de quotas d’émission de gaz à effet de serre dans la Communauté (PC) doit prochainement passer en deuxième lecture devant le Parlement européen. Cependant, les règles d’octroi ne laissent rien présager de bon. La Commission a certes reconnu à raison que: «Allocation is about striking a balance between the theoretically desirable and the practically feasible, while keeping in mind that it defines a starting point rather than an outcome». Toutefois, l’appréciation du premier octroi conduit à une impasse en matière de droit de la concurrence. En donnant la préférence à un premier octroi des quotas d’émission qui serait totalement gratuit, les Etats membres doivent empêcher, dans le cadre de la mise en œuvre de la directive, que chaque octroi gratuit soit traité comme une aide d’Etat sous l’angle du droit de la concurrence. Si, lors de la phase de l’adoption de cette directive, on ne remplace pas immédiatement le système de l’octroi gratuit par un modèle compatible avec la législation sur les aides d’Etat, un nombre important de nouveaux cas d’aides d’Etat menacera la Commission, les Etats membres et les entreprises. Compte tenu du recours toujours plus fréquent aux droits d’utilisation, les faiblesses du système communautaire d’échange de droits d’émission, touchant en particulier l’octroi des quotas, constituent au regard du droit de la concurrence un exemple riche en enseignements pour les futurs systèmes de licence.

I. Prinzip des Emissionsrechtehandels
II. Erstallokation der Emissionsrechte
III. Beihilfenrechtliche Würdigung der Änderungsanträge des Parlaments
IV. Fazit

I. Prinzip des Emissionsrechtehandels

Der Handel mit Emissionsrechten ist bereits seit Jahrzehnten als Mittel zu einer effizienten Reduzierung von Emissionen Gegenstand der wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Diskussion. Bisher sahen die nationalen Klimapolitiken der europäischen Länder als Instrumentarien primär Effizienzstandards, freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie sowie Energiesteuern vor. Umweltgüter durften bis zur jeweiligen ordnungsrechtlichen Höchstgrenze zahlungsfrei belastet werden. Demgegenüber wählt der Mechanismus eines Handels mit Emissionsrechten einen marktwirtschaftlichen Ansatz: Die Verursacher müssen im Rahmen eines Emissionsrechtesystems nunmehr für die Inanspruchnahme der Umweltgüter in Form des Erwerbs von Emissionsrechten zahlen. Statt unmittelbar bei externen Effekten setzt die Zertifikatlösung bei so genannten Nutzungsrechten an, wobei grundsätzlich nicht mehr Nutzungsrechte in Form von Zertifikaten vergeben werden dürfen, als das ökologische Gleichgewicht verkraftet (grundlegend R. H. Coase, The Problem of Social Cost, The Journal of Law and Economics 3 [1960], 1 ff.; s. ferner auch C. Koenig, Möglichkeiten und Grenzen von Zertifikatmärkten als Steuerungsmedien im Umweltrecht, DÖV 1996, 944). Das System ist einfach: Unternehmen erhalten übertragbare Emissionsrechte vom Staat zugeteilt. Senken sie nunmehr ihre Emissionen unter den ihnen zugeteilten Emissionsanteil, können sie ihren «Zertifikate-Überhang» an andere Unternehmen verkaufen, die ihr Reduktionsziel nicht erreichen. Damit soll eine Schadstoffvermeidung dort erfolgen, wo dies wirtschaftlich am sinnvollsten ist, mithin dort, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind und deshalb Zertifikate gewinnbringend verkauft werden können. Jeder Emittent darf somit nur soviel Schadstoffe ausstossen, wie er Zertifikate im Wege der Erstzuteilung oder des Erwerbs auf dem Markt erhalten hat, sodass der Staat durch die Zertifikatausgabe die Gesamtmenge an Emissionen steuern und diese graduell von Jahr zu Jahr reduzieren kann. Da die festgelegte Gesamtemissionsmenge unverändert bleibt, werden umweltpolitische Ziele nicht ausgehöhlt und es sollen ein kostengünstiges Erreichen des Gesamtziels ermöglicht sowie Anreize für Investitionen in umweltverträgliche Technologien geschaffen werden. Das Reduktionspotenzial des EG-Emissionsrechtehandels gilt als beachtlich. Bezogen auf das Jahr 2010 werden etwa 50% der gesamten CO2-Emissionen der derzeit 15 EG-Mitgliedstaaten und an die 5000 Anlagen erfasst.

II. Erstallokation der Emissionsrechte
Die geplante Richtlinie über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen unterscheidet «Genehmigungen» und «Berechtigungen». Alle Anlagen, die der Emissionszertifikatepflicht unterliegen, benötigen zunächst eine anlagen- bzw. standortgebundene «Genehmigung» für die Emission von Treibhausgasen, die von den Mitgliedstaaten vergeben wird (Art. 4 i.V.m. Anhang I GS). «Genehmigungen» beinhalten sodann die Verpflichtung, «Berechtigungen» in Höhe der tatsächlichen Treibhausgasemissionen der Anlage zu besitzen (Art. 4 GS). «Berechtigungen» erlauben es ihren Inhabern, eine entsprechende Menge von Treibhausgasen, ausgedrückt in CO2-Äquivalent, zu emittieren. Die Inhaber einer Genehmigung müssen jährlich Berechtigungen in Höhe ihrer tatsächlichen Emissionen zur Löschung vorlegen (Art. 12 Abs. 3 GS). Für fehlende Berechtigungen ist ihnen eine Sanktion wegen Emissionsüberschreitung aufzuerlegen (Art. 16 Abs. 3 GS). Über die tatsächliche CO2-Emissionshöhe hinausgehende Berechtigungen sind frei handelbar, wobei die geplante Richtlinie als Handelsperiode zunächst eine dreijährige Probeperiode (01. Januar 2005–31. Dezember 2007) vorsieht, bevor ab Anfang 2008 der internationale Emissionshandel im Rahmen des Kyoto-Protokolls in Fünf-Jahres-Schritten beginnen soll (Art. 9 i.V.m. Art. 11 Abs. 1, 2 GS). Diese Handelsperioden erlauben es den Mitgliedstaaten, die Anzahl der CO2-Emissionsrechte jeweils neu festzulegen und damit allmählich zu reduzieren.
Wettbewerbsrechtlich von besonderer Bedeutung ist das Verfahren der mitgliedstaatlichen Erstallokation der Emissionsrechte (Art. 9–11 i.V.m. Anhang III GS). Gedanklich sind dabei zwei Ebenen zu unterscheiden: In einem ersten Schritt erstellen die Mitgliedstaaten für jede Handelsperiode nationale Allokationspläne. Diese müssen alle unter das Emissionsrechtehandelsregime fallenden Sektoren (Anhang I GS) umfassen, die Gesamtanzahl der zu vergebenen Berechtigungen benennen und die Kriterien für die Allokation bezeichnen (Art. 9 Abs. 1 S. 1 GS). Jeder Mitgliedstaat entscheidet dabei selbst über die Gesamtzahl der Berechtigungen, die für einen Zeitraum zugeteilt werden sollen, sowie darüber, wie er die Berechtigungen zuzuteilen gedenkt. In einem zweiten Schritt erfolgt sodann die Zuteilung und Vergabe der Berechtigungen, die auf diesem nationalen Allokationsplan beruhen muss und die Allokation hinsichtlich der einzelnen Anlagen spezifiziert (Art. 11 GS). Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum sieht der Gemeinsame Standpunkt eine vollständig entgeltfreie («kostenlose») Zuteilung der Berechtigungen vor (Art. 10 S. 1 GS). Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum müssen zumindest 90% der Berechtigungen entgeltfrei zugeteilt werden (Art. 10 S. 2 GS). Ob allerdings alle Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden, ist fraglich. So erklärte die deutsche Bundesregierung bereits im Anschluss an die Umweltministerratstagung, die diese Bestimmung in die Richtlinie aufnahm, dass sie eine Vergabe durch Auktion nicht beabsichtige.
Angesichts des ökonomischen Wertes der Emissionsrechte, der anfangs ausnahmslos unentgeltlichen Zuteilung und der bei entgeltfreier Allokation möglicherweise drohenden Wettbewerbsbeeinträchtigungen, stellt die Erstallokation einen der heikelsten Punkte des Emissionsrechtehandelsregimes dar. Zwar ist dieses Problem bereits im Grünbuch der Kommission und in ihrem Richtlinienvorschlag erkannt worden. Dennoch vermag auch der derzeitige Stand der Allokationsvorgaben im Gemeinsamen Standpunkt Wettbewerbsbeeinträchtigungen nicht zu verhindern. Gemäss Art. 9 Abs. 1 GS müssen die nationalen Allokationspläne «auf objektive und transparente Kriterien» gestützt werden und dem Anforderungskatalog des Anhang III GS genügen. Ferner müssen, so ausdrücklich Art. 11 Abs. 3 GS und Ziff. 5 Anhang III GS, die Mitgliedstaaten Zuteilung und Vergabe im Einklang mit dem EG-Vertrag und insbesondere mit den Art. 87, 88 EG treffen. Überdies muss nach dem vierten in Anhang III genannten Kriterium bereits der nationale Allokationsplan «mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft» – und damit auch mit dem EG-Beihilfenrecht – «in Einklang stehen». Der Gesetzgeber hat die Bedeutung der beihilfenrechtlichen Komponente also erkannt. Dennoch sieht er für die erste Handelsperiode (2005–2007) eine zwingend entgeltfreie Erstallokation vor und gesteht den Mitgliedstaaten auch in der zweiten Handelsperiode (2008–2012) nur die Versteigerung von maximal 10% der Emissionsrechte zu. Angesichts der nur rudimentären Ausgestaltung der Allokationsregelung im Gemeinsamen Standpunkt drängen sich beihilfenrechtliche Probleme insbesondere bei der Erstallokation geradezu auf.

III. Beihilfenrechtliche Würdigung der Änderungsanträge des Parlaments
Gemäss Art. 87 Abs. 1 EG sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Bleibt es bei den im Gemeinsamen Standpunkt vorgesehenen Allokationsregeln, wird die Erstallokation – und bei vergleichbarer Rechtslage auch jede weitere zumindest überwiegend entgeltfreie Allokation – tatsächlich eine EG-rechtswidrige Beihilfe darstellen (vgl. hierzu ausführlich C. Koenig / J.-D. Braun / R. Pfromm, Beihilfenrechtliche Probleme des EG-Emissionsrechtehandels, Zeitschrift für Wettbewerbsrecht – Journal of Competition Law, 2003, Heft 2). Letzter Rettungsanker ist damit das Europäische Parlament. Dessen zuständiger Berichterstatter hat Anfang April dreizehn Änderungsanträge eingebracht. So soll zum einen, als Kernstück der Änderungen, Art. 9 GS dahingehend geändert werden, dass die Mitgliedstaaten bei der Aufstellung der nationalen Allokationspläne verpflichtet werden, die Gesamtzahl an Emissionsberechtigungen im relativen Verhältnis zu den Emissionen der von der Richtlinie betroffenen Branchen zu vergeben. Ziel ist die Verhinderung einer Überallokation und damit einhergehender Wettbewerbsverzerrungen. Zum anderen wird eine Änderung des Art. 10 GS dahingehend vorgeschlagen, dass in den beiden ersten Handelsperioden 5% der Berechtigungen versteigert werden müssen. Die vom Rat nur für die zweite Handelsphase vorgesehene fakultative 10%-ige Versteigerungsregelung lehnt der Berichterstatter unter Verweis auf die mögliche Wettbewerbsverzerrung ab. Schliesslich soll Art. 24 Abs. 1 GS dahingehend geändert werden, den Mitgliedstaaten in den beiden ersten Handelsphasen die Ausweitung des Emissionszertifikatehandels auf weitere Sektoren, Aktivitäten und Anlagen (sog. «opt-in») zu ermöglichen. Zumindest in ihrem Ansatz sind diese Änderungsanträge zu begrüssen. Die Begrenzung der Allokationsmenge auf den prozentualen Anteil des begünstigten Sektors an der nationalen Gesamtemissionsmenge würde sicherstellen, dass bestimmte Sektoren eines Mitgliedstaates durch die Art und Weise der nationalen Allokation nicht mehr übermässig begünstigt werden könnten. Hintergedanke ist wohl die Befürchtung, dass einzelne Mitgliedstaaten versuchen könnten, durch Bevorzugung bestimmter nationaler Unternehmen diesen Wettbewerbsvorteile gegenüber Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten einzuräumen. In Betracht käme beispielsweise, dass ein Mitgliedstaat mit wenigen Feuerungsanlagen durch Zuteilung vieler Emissionsrechte an diese Unternehmen deren Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu Feuerungsanlagen in anderen Mitgliedstaaten zu verbessern sucht. Zwar ist die Kommission durch Art. 9 Abs. 3 GS ermächtigt, die Vereinbarkeit der nationalen Allokationspläne mit dem EG-Beihilfenrecht zu untersuchen und einem nationalen Allokationsplan zu widersprechen, wenn dieser mit den Zuteilungskriterien des Art. 10 GS i.V.m. Anhang III GS unvereinbar ist. An der praktischen Effizienz dieses Kontrollmechanismus bestehen indes Zweifel. Zudem droht der Kommission ein Fristenproblem: Angesichts der fehlenden Abstimmung der knappen Drei-Monats-Frist des Art. 9 Abs. 3 GS mit den Fristen der beihilfenrechtlichen Verfahrensverordnung Nr. 659/1999 wird die Kommission vor beträchtliche organisatorische Probleme gestellt. Dürfte nunmehr einem bestimmten Sektor Berechtigungen nur in Höhe desjenigen Prozentsatzes zugeteilt werden, den dieser Sektor im Jahre 1990 an den Gesamtemissionen des Mitgliedstaates hatte, würde zumindest eine Sektorenbevorzugung durch übermässige Berechtigungsallokation verhindert werden.
Auch die Festlegung einer verbindlichen Versteigerung von 5% der Berechtigungen ist aus beihilfenrechtlicher Sicht begrüssenswert. Erstens stellen versteigerte Emissionsrechte keine Beihilfe dar. Denn in der unentgeltlichen Allokation der Emissionsberechtigungen, die nicht überraschend aufgrund ihres Wertes bereits als Wertpapiere eingestuft werden (s. R. Wallat, Beaufsichtigung des organisierten Emissionshandels, Energiepolitische Tagesfragen 2003, 180), liegt eine Begünstigung. Eine Begünstigung der Zuteilungsempfänger erfolgt auch im Hinblick auf die Genehmigungspflicht (Art. 4f i.V.m. Anhang I) der Richtlinie 96/91/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. EG 1996 L 257, 26). Denn durch die Emissionsrechtehandelsrichtlinie soll die IVU-Richtlinie dahingehend geändert werden, dass eine Genehmigung nach Art. 4f IVU-Richtlinie für dem Emissionsrechtehandel unterfallende Anlagen keine Emissionsgrenzwerte mehr enthalten darf. Zwar stellt diese Befreiung von der ordnungsrechtlichen Regulierungslast der IVU-Richtlinie selbst keine Begünstigung im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG dar, da es insofern an dem Tatbestandsmerkmal «staatlich oder aus staatlichen Mitteln» fehlt. Eine Begünstigung ist indes darin zu sehen, dass durch diese Schutzschirm-Wirkung der (eigentliche) Wert der Emissionsberechtigungen, den die Unternehmen entgeltfrei zugeteilt erhalten, erhöht wird. Der nicht versteigerte und entgeltfrei allozierte Anteil stellt damit also weiterhin eine Beihilfe dar. Zweitens wird durch die Versteigerung von Emissionsberechtigungen, wiederum aber nur in Höhe des Auktionsanteils, die Benachteiligung früherer Emissionsverringerungen verhindert. Hierbei ist der Hintergrund folgender: Anhang III Ziff. 3 GS verlangt, dass die Menge der zuzuteilenden Berechtigungen mit dem technischen Potenzial der Anlagen zur Emissionsverringerung im Einklang stehen muss, wodurch jedoch alte Anlagen ohne Emissionsreduktionspotenzial unter Umständen mehr Berechtigungen zugeteilt bekommen als moderne Anlagen, die noch Reduktionspotenzial besitzen oder bereits frühzeitige Massnahmen zur Emissionsreduktion unternommen haben. Zwar bestimmt Anhang III Ziff. 7 GS, dass der nationale Zuteilungsplan frühzeitige Reduktionsmassnahmen berücksichtigen kann und Informationen darüber enthalten muss, wie frühzeitige Reduktionsmassnahmen berücksichtigt werden. Es bleibt aber ungeregelt, wie solche Unternehmen zu behandeln sind. Grundsätzlich gilt: Je höher im Rahmen eines Hybridsystems nun der Auktionsanteil ist, desto besser werden frühzeitige Vermeidungsmassnahmen berücksichtigt, da Unternehmen, die bereits frühzeitige Reduktionsleistungen erbracht haben, entsprechend weniger Rechte hinzukaufen müssen. Mit zunehmendem Anteil der zu versteigernden Menge werden zudem Verhandlungen über die Anerkennung schon getroffener Massnahmen überflüssig. Drittens kommt ein Versteigerungsanteil auch neuen Marktteilnehmern zugute: Treten neue Marktteilnehmer in den Markt, benötigen auch sie für ihre Anlagen Emissionsrechte. Der Gemeinsame Standpunkt sieht indes nicht vor, dass Neueinsteiger Zertifikate zugeteilt bekommen müssen. Nach Ziff. 6 des Anhang III GS muss der nationale Zuteilungsplan lediglich Angaben dazu enthalten, wie sich neue Marktteilnehmer am Emissionszertifikatehandel beteiligen können. Hierfür bestehen grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten: Anstatt, wie bei einer überwiegend entgeltfreien Allokation, eine bestimmte Anzahl von Berechtigungen für neue Marktteilnehmer zurückhalten zu müssen, könnten diese bei einer Allokation mit fast vollständiger entgeltlicher Vergabe auf den Erwerb der Berechtigungen verwiesen werden. Auch hier gilt: Je grösser der Auktionsanteil, desto geringer die Gefahr einer Benachteiligung von Neueinsteigern. Der Ansatz des Berichterstatters weist somit in die richtige Richtung. Der Anteil von 5% (im Gegensatz zu geforderten 15% in der ersten Lesung) kann allerdings nur der Anfang sein und muss signifikant und zügig gesteigert werden.
Der Vorschlag, die Mitgliedstaaten sollen bereits in der ersten Handelsperiode den Handel auf weitere Sektoren ausweiten können, ermöglicht diesen, der Begünstigung ihre Bestimmtheit zu nehmen. Das Kriterium der Bestimmtheit ist das entscheidende Tatbestandsmerkmal, um staatliche Fördermassnahmen, die unterschiedslos der gesamten Wirtschaft zugute kommen, aus dem Beihilfenbegriff auszuscheiden. Das EG-Emissionshandelssystem umfasst lediglich die in Anhang I GS aufgelisteten Produktionsvorgänge bestimmter industrieller Emittenten aus den Bereichen Energiewirtschaft, Eisenmetallerzeugung und -verarbeitung, mineralverarbeitende Industrie und ferner Industrieanlagen zur Herstellung von Zellstoff aus Holz und anderen Faserstoffen sowie von Erzeugnissen aus Papier und Pappe. Diese Beschränkung auf die aufgelisteten Emissionstätigkeiten und – durch die Vorgabe von Schwellenwerten – nur auf besonders energieintensive Produktionsvorgänge von Grossunternehmen, lässt andere CO2-bedeutsame Branchen und Sektoren unberücksichtigt. Bezieht ein Mitgliedstaat im Rahmen der Umsetzung des Emissionshandelsystems, über die im Anhang I GS aufgeführten Tätigkeiten hinaus, ausnahmslos alle treibhausgasemittierenden Branchen in sein nationales Emissionsrechtehandelssystem ein, läge eine Beihilfe, mangels Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige, nicht vor. Der Gemeinsame Standpunkt gestattet den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit jedoch erst ab dem Jahre 2008 (Art. 24 Abs. 1 GS). Durch den Änderungsvorschlag des Europäischen Parlaments könnten die Mitgliedstaaten bereits in der ersten Handelsperiode die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals «bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige» abwenden. In jedem Fall gilt: Beschränkt sich ein Mitgliedstaat auf die in Anhang I GS aufgeführten Tätigkeiten oder fügt er lediglich einige, nicht aber alle übrigen treibhausgasemittierenden Branchen seinem nationalen Emissionsrechtesystem hinzu, ist das Merkmal «bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige» weiterhin erfüllt.
Wenngleich die eingebrachten Änderungsanträge zeigen, dass das Europäische Parlament den Handlungsbedarf erkannt hat, greifen die vorgeschlagenen Änderungen zu kurz. Ein beherzteres Herangehen wäre zur Sicherstellung eines unbedenklichen und erfolgreichen Starts des Handelssystems erforderlich. Ansatzpunkt für einen Ausschluss des Beihilfentatbestands ist dabei vor allem eine umfassende Geltung des nationalen Emissionshandels für alle CO2-emittierenden Wirtschaftssektoren, die jedoch – vorbehaltlich einer Änderung auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens – erst ab dem Jahre 2008 möglich ist. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten beihilfenrechtsrelevante Wettbewerbsverfälschungen durch Benachteiligungen frühzeitiger Emissionsreduktion sowie durch Benachteiligung neuer Marktteilnehmer im Rahmen ihrer nationalen Allokationspläne verhindern. Geschieht dies nicht, ist der Beihilfentatbestand erfüllt.

IV. Fazit
In ihrem Non-Paper «The EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan» vom 01. April 2003 stellt die Kommission lapidar fest: «National Allocation Plans will constitute state aid under Article 87 (1) EC and will therefore have to be notified to the Commission for assessment under state aid rules». Betrachtet sie indes die nationalen Allokationspläne so rigoros als staatliche Beihilfen und pocht sie auf das beihilfenrechtliche Notifizierungsverfahren, so muss sie vom Vorliegen einer Genehmigungsmöglichkeit im Sinne des Art. 87 Abs. 3 EG ausgehen. Die Ausnahmegenehmigung nach Art. 87 Abs. 3 EG greift hier jedoch nicht. Denn eine solche setzt ein zweistufiges Prüfungsverfahren voraus, wonach die Kommission ihr Rechtsfolgeermessen nur dann betätigen darf (2. Stufe), wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer der Ausnahmebestimmungen erfüllt sind (1. Stufe). Im Hinblick auf die Tatbestandsseite muss die Beihilfengewährung der Verwirklichung eines der in den Ausnahmebestimmungen von Art. 87 Abs. 3 lit. a–d EG genannten Ziele dienen sowie notwendig im Sinne einer Kausalbeziehung sein, um eines dieser Ziele zu fördern. An der Offensichtlichkeit, dass ohne die Beihilfe die geförderte Massnahme nicht oder nicht ausreichend oder nur mit unannehmbaren Nebenwirkungen, die dem Gemeinschaftsinteresse abträglich wären, durchgeführt werden könnte, fehlt es aber gerade. Denn auch ein beihilfenrechtlich unbedenkliches Allokationssystem mit reiner entgeltlichen Vergabe, durch Auktion oder im Rahmen eines «beauty contest», hätte im Hinblick auf die Erreichung der beabsichtigten ökologischen Ziele gleiche Erfolgsaussichten. Der Aspekt einer höheren Akzeptanz des Systems bei den betroffenen Unternehmen kann in einem Pflichtsystem demgegenüber nicht ausschlaggebend sein und ist vor allem beihilfenrechtlich irrelevant. Doch damit nicht genug: Mit Eingreifen des beihilfenrechtlichen Verfahrens verdoppeln sich auch die prozessualen Angriffsziele. Neben die Entscheidung der Kommission gemäss Art. 9 Abs. 3 GS träte eine Entscheidung gemäss Art. 88 EG. Der Kampf um die pole-position im EG-Emissionshandel könnte sich dann auf die prozessuale Ebene verlagern. Fazit: Kommt es im Gesetzgebungsverfahren nicht doch noch zu entscheidenden Änderungen, droht der EG-Emissionshandel in einer beihilfenrechtlichen Sackgasse zu enden.



* Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Rheinischen Friedrichs-Wilhelms-Universität Bonn.


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