sic! 2002 Ausgabe 6
SASKIA ESCHMANN* / FLORENT THOUVENIN**

Das revidierte Schweizer Designrecht - Neue Antworten auf alte Fragen - Tagung vom 26. / 27. Februar 2002

Das Bundesgesetz betreffend die gewerblichen Muster und Modelle ist bereits mehr als 100 Jahre alt; es wird am 1. Juli 2002 durch das neue Bundesgesetz über den Schutz von Design ersetzt werden. Aus diesem Anlass veranstalteten das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE), die ETH Zürich, das Institut für gewerblichen Rechtsschutz (INGRES), das Museum für Gestaltung Zürich, Design Sammlung, und das Schweizer Forum für Kommunikationsrecht (SF-FS) eine gemeinsame Tagung. Gleichzeitig wurden in der Haupthalle der ETH verschiedene Objekte ausgestellt, deren Formgebung Anlass für rechtliche Auseinandersetzungen und Gerichtsentscheide gewesen war. Das Programm des ersten Tages diente der praktischen Einführung ins neue Gesetz und richtete sich vorab an die in der Branche tätigen Personen (z.B. Designer); der zweite Tag war rechtswissenschaftlichen Fragen vorbehalten, die in Referaten und anschliessenden Diskussionsrunden erörtert wurden. Der vorliegende Bericht bezieht sich ausschliesslich auf diesen zweiten Tag.
Die wesentlichen Änderungen
Zunächst führte Fspr. Dr. Felix Addor, Leiter der Abteilung Recht und internationale Angelegenheiten sowie Mitglied der Direktion des IGE, in die wesentlichen Änderungen des Designgesetzes ein. Auffälligste Änderung ist die neue Bezeichnung des Gesetzes. Der Begriff «Design» biete gegenüber dem altrechtlichen «Muster und Modell» verschiedene Vorteile, meinte Addor: Er sei in der Wortwahl zeitgemäss, laute in den verschiedenen Landessprachen gleich und beende zudem die rechtlich praktisch bedeutungslose Differenzierung von zweidimensionalem Muster und dreidimensionalem Modell. Neu enthält das Gesetz eine bewusst offen gehaltene Legaldefinition seines Schutzgegenstandes, des Designs. Das Gesetz schützt Gestaltungen von Erzeugnissen oder von Teilen derselben, die durch die Anordnung von Linien, Flächen, Konturen oder Farben oder durch das verwendete Material charakterisiert sind (Art. 1 DesG), sofern sie neu sind und Eigenart aufweisen (Art. 2 DesG). Die Neuheit ist gegeben, wenn nicht bereits ein identisches Design existiert, so genannte formelle Neuheit (Art. 2 Abs. 2 DesG). Das alte MMG kannte nur dieses Erfordernis (Art. 12 Ziff. 1 MMG); die bundesgerichtliche Rechtsprechung führte aber zusätzlich das Kriterium der Eigenart, so genannte materielle Neuheit ein, das eine gewisse ästhetische Leistung für den Schutz nach MMG voraussetzte. Dieses Erfordernis brachte das Bundesgericht in der Formel «eine gewisse Originalität und damit ein Mindestmass an geistigem Aufwand» (BGE 104 II 329) zum Ausdruck; mit dem Begriff der Eigenart findet laut Addor die Rechtsprechung des Bundesgerichts Eingang in den neuen Gesetzestext (Art. 2 Abs. 3 DesG). Die Hürde für den Schutz unter dem neuen DesG solle dabei weder höher noch tiefer liegen als unter dem alten Recht. Gleichzeitig werde klargestellt, dass das Erfordernis der Eigenart kein qualitatives Kriterium darstellt; entscheidend sei allein, dass sich die zu schützende Gestaltung genügend von anderen Designs unterscheidet. Massgebend sei dabei der Gesamteindruck. Neben dem neuen Namen des Gesetzes springt eine weitere Änderung ins Auge: die Verlängerung der Schutzdauer von altrechtlich höchstens 15 auf neu maximal 25 Jahre. Wie bisher ist das Design zwar während fünf Jahren vom Datum der Hinterlegung an geschützt (Art. 5 Abs. 2 DesG), der Schutz kann aber nicht mehr nur um eine zweite und dritte, sondern neu zusätzlich um eine vierte und fünfte Schutzperiode verlängert werden (Art. 5 Abs. 3 DesG). Der Gesetzgeber trage damit dem Umstand Rechnung, dass für gewisse Designs – beispielsweise Designermöbel oder das Textilmuster von Burberry – die Schutzdauer von 15 Jahren zu kurz bemessen war. Durch die Verlängerung der Schutzdauer, vor allem aber durch mehr Hinterlegungen von Designs wachse die Gefahr von Konflikten, so Addor. Zur Vermeidung solcher Konflikte stehe im Markenrecht die Markenrecherche zur Verfügung; auch im Patentrecht würden vorab die Patentschriften eine Vielzahl von Recherchiermöglichkeiten eröffnen. Bei Mustern und Modellen sei es dagegen heute nur schwer herauszufinden, wie diese konkret aussehen, denn im PMMBl würden jeweils nur bibliographische Daten, nicht aber die Designs selbst veröffentlicht. Wer also ein hinterlegtes Design sehen wolle, müsse selbst in den Keller des IGE hinabsteigen, um dort Abbildungen oder Beispielsexemplare zu betrachten. Eine eigentliche Recherche sei unter diesen Umständen unmöglich. Gemäss Art. 25 DesG werden deshalb neu Reproduktionen aller hinterlegten Designs veröffentlicht. Eine solche Veröffentlichung sei aber nur für die neu hinterlegten Gestaltungen sowie für diejenigen bereits hinterlegten Muster und Modelle vorgesehen, welche Schutz auch für die neu eingeführte vierte und fünfte Schutzperiode beanspruchen würden. In Zukunft werden die Abbildungen der Designs zudem per Internet zugänglich sein; darüber hinaus arbeite das IGE am Aufbau einer elektronischen Designrecherche. Eine weitere Neuerung des DesG betrifft die Rechtsdurchsetzung. Unter altem Recht war grundsätzlich nur der Rechtsinhaber zur Klage legitimiert, nicht aber der Lizenznehmer, wenn nicht der Lizenzvertrag etwas anderes vorsah. Art. 35 Abs. 4 DesG sieht neu eine Klageberechtigung des ausschliesslichen Lizenznehmers vor, sofern diese nicht im Lizenzvertrag ausgeschlossen worden ist. In Zukunft solle dieses Rechtsinstitut auch im Patentrecht und im Markenrecht eingeführt werden. Die Klagelegitimation des Lizenznehmers war in der parlamentarischen Debatte umstritten. Die Vorlage des Bundesrates hatte noch vorgesehen, alle Lizenznehmer – also auch die Inhaber einer einfachen Lizenz – zur Klage zu legitimieren (Botschaft, BBl 2000, 2759); das Parlament hat schliesslich ein solches Recht nur dem ausschliesslichen Lizenznehmer eingeräumt. Zur (Wider-)Klage auf Nichtigkeit bleibe aber auch unter neuem Recht ausschliesslich der Rechtsinhaber passivlegitimiert. Eine Änderung hat auch das Arbeitnehmerdesignrecht erfahren. Wird ein Design vom Arbeitnehmer bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit und in Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten geschaffen, so gehört dieses nun – wie im Patentrecht – dem Arbeitgeber (Art. 332 Abs. 1 OR). Die Neuregelung stelle also eine Abkehr vom früheren, dem Urheberrecht nachempfundenen Konzept dar. Nach der heutigen Auffassung sei dies die sachlich richtige Lösung: einerseits trage der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko, es solle ihm also auch der wirtschaftliche Erfolg zukommen; andererseits beruhe die altrechtliche Konzeption auf der Auffassung, das Designrecht stehe dem Urheberrecht nahe und das Design sei entsprechend mit der Persönlichkeit des Arbeitnehmer-Designers verbunden; eine Annahme, die sich angesichts der rechtstatsächlichen Entwicklung – erwähnt sei vor allem das Arbeiten in Designer-Teams – als überholt erwiesen habe. Köbi Gantenbein, Chefredaktor Hochparterre, kam die Aufgabe zu, dem versammelten Fachpublikum den Begriff des Designs, wie er ausserhalb eines juristischen Kontexts verstanden wird, näher zu bringen. Was ist, einmal abgesehen von der Legaldefinition in Art. 1 DesG, überhaupt Design? Denjenigen – und das ist als Jurist wohl beinahe unvermeidlich – der nun eine Begriffsanalyse oder eine exemplarische Aufzählung von Designs erwartete, überraschte Gantenbein mit einem Capriccio über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der werdenden Berufsrealität einer Designerin und eines Juristen. Die wunderbar formulierte und unterhaltsam vorgetragene Erzählung endete damit, dass aus der einvernehmlichen Zusammenarbeit von Juristerei und Design, ungeachtet aller Verständigungsprobleme, ein erfolgreiches Projekt entsteht, ja, vielleicht sogar eine Liebesgeschichte…
Schutzvoraussetzungen und Schutzumfang
RA Dr. Peter Heinrich eröffnete sein Referat über die materiellen Schutzvoraussetzungen der Neuheit und Eigenart (Art. 2 DesG) mit der Feststellung, dass in Art. 8 DesG ebenfalls die Begriffe «Gesamteindruck» und «wesentliche» bzw. «unwesentliche Merkmale» verwendet würden. Dies weise darauf hin, dass für die Gültigkeit (Art. 2 DesG) und den Schutzbereich (Art. 8 DesG) dieselben Kriterien gälten, was er für richtig halte. Auch im Markenrecht werde ein weiterer Schutzumfang zugestanden, je grösser die Kennzeichnungskraft einer Marke sei. Als Bezugsgrösse für die Prüfung der Neuheit und der Eigenart (Art. 2 Abs. 2 und 3 DesG) schlug Heinrich den Begriff «Stand des Designs» vor. Dieser sei zwar nicht absolut wie der patentrechtliche Begriff «Stand der Technik», stelle aber doch etwas Gegebenes dar und sei damit als Vergleichsmassstab geeignet. Der Stand des Designs bestimme sich nach dem absoluten Teil-Kriterium «der Öffentlichkeit zugänglich gemacht», welches durch das zweite Teil-Kriterium «bekannt sein können in schweizerischen Verkehrskreisen» relativiert werde. Beispiele für das im schweizerischen DesG nicht näher ausgeführte erste Kriterium seien gemäss Art. 6 Abs. 1 MuRL insbesondere die Bekanntmachung durch die zuständige Behörde nach der Eintragung, andere Arten von Bekanntmachung, Ausstellung oder die Verwendung im Verkehr. Nach Heinrich ist eine gewisse Breite der Zugänglichmachung nicht gefordert. Vielmehr genüge die Offenbarung gegenüber einer einzigen Person. Beim zweiten Kriterium sei eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung nötig. Vernünftigerweise müs-se darauf abgestellt werden, ob es nach der allgemeinen Lebenserfahrung wahrscheinlich sei, dass schweizerische Verkehrskreise ein Design kennen würden. Mögliche Filter, die ein «bekannt sein können» verhindern würden, seien grosse zeitliche Entfernung (vergessenes Design), grosse örtliche Entfernung (Dorf in China) oder der massgebliche Personenkreis (zwei Jäger im Muotathal). Um die Neuheit zu zerstören, ist ein identisches Design nötig. Keinen Einfluss haben laut Heinrich aber Unterschiede, die niemand beachtet. Technisch-funktionelle Merkmale seien ebenfalls in die Neuheitsprüfung einzubeziehen. Bei der Prüfung der Eigenart nach Art. 2 Abs. 3 DesG ist lediglich objektive Verschiedenheit und nicht etwa eine designerische Leistung gefordert. Auch hier sollten technisch-funktionelle Merkmale mitberücksichtigt werden. Nicht jede Übertragung aus einer anderen Produktgattung begründe Eigenart. Bei der Übertragung in eine funktionell von der ursprünglichen verschiedene Produktgattung sei die Annahme von Eigenart hingegen durchaus denkbar. RA Dr. Patrick Troller beleuchtete in seinem Referat die Schutzfähigkeit technisch funktionaler Produkte und Produktelemente nach revidiertem Designrecht. Seine erste These besagte, dass man nicht einfach unter Berufung auf die patentrechtlichen Regelungen bzw. Schranken dagegen ankämpfen könne, dass technische Lösungen oder Massnahmen mittelbar Schutz finden, indem beispielsweise ein funktional bedingtes Design oder eine technisch bedingte Formmarke geschützt wird. Er berief sich dabei auf BGE 84 II 583, nach welchem es nicht Sinn und Geist des Patentrechts ist, Gewähr dafür zu leisten, dass alle technischen Massnahmen, die nicht Patentschutz geniessen, nachgemacht werden dürfen, sondern dieses lediglich bestimmt, wo die Freiheit der Nachmachung jedenfalls aufhört. In seiner Rechtsprechung zu Art. 3 MMG habe das Bundesgericht in verschiedenen Urteilen (BGE 79 II 319 ff., 84 II 579 ff., 87 II 54 ff., 88 IV 79 ff., 92 II 202 ff.) zwischen technischer Konstruktion und technischer Bedingtheit unterschieden. Letztere liege nur bei Gestaltungen vor, die sich bei der Ausführung einer gemeinfreien Konstruktion notwendigerweise ergäben. Von ausschlaggebender Bedeutung sei, ob technisch abweichende, zumutbare Lösungen bestünden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGE 113 II 77 ff. hingegen, in welchem der Tatsache, dass die technischen Funktionen mit anderen Formen hätten gelöst werden können, keine Bedeutung beigemessen werde, könne s.E. nicht aufrecht erhalten werden. In seiner zweiten These hielt Troller daher fest, dass auch der Schutzausschlussgrund von Art. 4 lit. c DesG nur dann greife, wenn für die Erreichung der gleichen technischen Funktion keiner-lei zumutbare Gestaltungsalternative zur Verfügung stehe. Laut Botschaft (BBl 2000, 2741 mit Verweis auf BGE 113 II 77 ff. und 116 II 191 ff.) liege, wenn sich nur einzelne Teile einer Gestaltung zwingend aus der technischen Funktion ergäben, lediglich Teilnichtigkeit vor, sofern die Formelemente, die nach der Ausscheidung aller technisch bedingten Gestaltungselemente übrig bleiben, einen gesetzlichen Schutz noch rechtfertigen würden. Troller sprach sich für eine grosszügige Gewährung von Designschutz für technisch funktionale Produkte aus, was auch in seiner dritten These, dass die freie technische Entwicklung gegenüber dem Schaffen von Designs nicht zu bevorzugen sei, zum Ausdruck gelangte. Die Thematik der Produktgebundenheit des Designs erörterte RA Dr. Markus Wang. Das DesG selbst sehe keine explizite Beschränkung des Ausschliesslichkeitsanspruches vor und auch aus den Materialien liessen sich keine Hinweise entnehmen, ob das Gesetz einer abstrakten oder konkreten Konzeption folge. Als Indiz für die Produktgebundenheit könne allenfalls die Legaldefinition (Art. 1 DesG), welche von der «Gestaltung von Erzeugnissen oder Teilen von Erzeugnissen» spreche oder die Tatsache, dass das Eintragungsgesuch die Erzeugnisse enthalte (Art. 19 DesG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. f. und 25 Abs. 1 lit. f. DesV), angesehen werden. Ein Hinweis auf die Änderung der Konzeption gegenüber dem MMG fände sich ebenso wenig. Als Beleg für die konkrete Konzeption des MMG werde oft BGE 99 Ib 343 ff. vorgebracht. Nach Wang lässt dieser aber keinen zwingenden Schluss auf Produktgebundenheit zu, da das Bundesgericht in jenem Fall den Musterschutz versagte, weil die Figur als äussere Formgebung weder geeignet noch dazu bestimmt war, Vorbild eines Gegenstandes zu sein, der gewerblich hergestellt wird. Ein klares Indiz für die abstrakte Konzeption des MMG bilde BGE 92 II 202 ff., in welchem zur Verneinung der Originalität argumentiert werde, dass die Umrisse, wie sie der hinterlegte Gegenstand (Wäschesack) habe, bei anderen Gegenständen (z.B. Blumenvasen) längst bekannt seien. Auch daraus folge aber nicht zwingend die Konzeption des MMG. In der Lehre fänden sich neben Vertretern der konkreten und abstrakten Konzeption auch vermittelnde Ansichten. Betrachte man die Situation in der Europäischen Gemeinschaft, so stosse man ebenfalls auf keine ausdrückliche warenmässige Beschränkung des Ausschliesslichkeitsanspruchs. Als Indizien für Produktgebundenheit könnten hier die Musterdefinition, die Anknüpfung an Fachkreise des betreffenden Sektors (MuRL 6 I, GemMuVO 7 I) und die Berücksichtigung der Art des Erzeugnisses (EGrund 13 MuRL, EGrund 14 GemMuVO) gelten. In der Literatur zum europäischen Musterschutz werde aber nicht nur für die konkrete, sondern auch für eine abstrakte Konzeption plädiert. Wang fasste zusammen, dass die Frage der Produktgebundenheit des Designs nicht eindeutig geklärt sei. Er selbst vertrete einen konkreten Ansatz, da ansonsten bei der Prüfung der Neuheit und Eigenart Formen aus sämtlichen Produktgattungen berücksichtigt werden müssten. Zudem könne ein Design nicht ohne das dahinter stehende Erzeugnis beurteilt werden. Als letzter Referent dieses Blocks äusserte sich RA Dr. Allesandro Celli zum Schutzumfang nach revidiertem Designrecht. In Art. 8 DesG sei vorgesehen, dass sich der Schutzumfang des Designrechts auf Designs erstrecke, welche die gleichen wesentlichen Merkmale aufweisen und dadurch den gleichen Gesamteindruck erwecken wie ein bereits eingetragenes Design. Celli warf die Frage auf, ob mit der Formulierung dieser drei Tatbestandselemente das Problem der Abgrenzung des Schutzumfangs tatsächlich gelöst werde und was dabei im Vergleich zum MMG neu sei. Nach Art. 24 Ziff. 1 MMG gelte zwar neben der sklavischen Nachahmung an sich auch jede Nachahmung als widerrechtlich, bei der eine Verschiedenheit nur noch bei sorgfältiger Vergleichung wahrgenommen werden könne; die Praxis sei jedoch bisher derart zurückhaltend gewesen, dass man sagen könne, die «fast» sklavische Nachahmung bilde mit wenigen Ausnahmen Abwehrerfordernis. Bei der Vergleichung nach dem MMG finde bisher ein synoptischer Vergleich statt, was bedeute, dass die fraglichen Designs nebeneinander gehalten und im Hinblick auf den zu vergleichenden Gesamteindruck gleichzeitig betrachtet würden. Dabei sei das Empfinden des interessierten Laien, dem geringe Fähigkeit und Sorgfalt attestiert werde, Vergleichsmassstab. Darauf, wie die Vergleichung nach revidiertem Designrecht vorzunehmen sei, ob also wiederum nur ein synoptischer Vergleich oder aber eine Prüfung des Erinnerungsbildes stattfinde, enthalte Art. 8 DesG keine Antwort. Der Botschaft (BBl 2000, 2743) sei zwar zu entnehmen, dass der Schutzbereich des Designrechts weiter gefasst werden solle, doch übernehme sie den synoptischen Ansatz. Dass dabei nicht Einzelteile verglichen werden sollen, sondern sich die Prüfung auf das Charakteristische und Wesentliche zu konzentrieren habe, heisse allein wenig. Die Erweiterung des Schutzumfanges könne nämlich zweierlei bedeuten: Entweder, dass keine sklavische Nachahmung mehr erforderlich sei, um die Widerrechtlichkeit zu begründen oder aber, dass bei der Vergleichung das Erinnerungsbild einbezogen werde. Celli vertritt die Meinung, dass eine synoptische Vergleichung allein nicht sachgerecht ist. Erstens komme es auf Seiten des verletzten Designs nach Art. 8 DesG auf die Eintragung an, welche aber von niemandem mit den tatsächlich vorkommenden, potenziell verletzenden Erzeugnissen verglichen werde und zweitens seien es Richter und Anwälte im Gerichtssaal, welche die zur Frage stehenden Objekte einander tatsächlich gegenüberstellen würden und in aller Regel nicht die Kaufinteressenten. Dies rechtfertige den Einbezug des Erinnerungsbildes und die damit einhergehende allfällige Verwechslungsgefahr als Hilfskriterien bei der Beurteilung des Gesamteindrucks. Das Fehlen des Erinnerungsbildes würde aber noch nicht bedeuten, dass der Schutz ausbleiben müsse. Zusammenfassend habe sich im Vergleich mit dem MMG wohl nicht viel geändert, ausser dass Art. 8 DesG einen neuen Ansporn und die Gelegenheit zur richtigen Handhabung der Problemstellung bei der Schutzfrage und Abgrenzung des Schutzumfangs insbesondere im Rahmen der Vergleichung gebe. In der anschliessenden Paneldiskussion wurde vor allem die Frage erörtert, ob das revidierte Designrecht einer abstrakten oder konkreten Konzeption folge bzw. folgen solle. Diskutiert wurde auch darüber, wer zu den Verkehrskreisen nach Art. 2 DesG und Art. 8 DesG gehört und welche Recherchen diesen Personen zuzumuten sind. Die absichtlich etwas provokative These von Celli, nach der sich am Schutzumfang unter dem neuen DesG wohl wenig ändere, stiess auf reges Interesse und führte zur Diskussion der Frage, ob der Vergleich synoptisch oder unter Einbezug des Erinnerungsbildes vorzunehmen sei.
Kohärenz des Schutzes von Gestaltungen
Fspr. Prof. Eugen Marbach behandelte die Frage der Kohärenz des Schutzes von Gestaltungen aus der Sicht des Markenrechts. Dabei stellte er die These auf, dass jedes denkbare Design das Potenzial zur Marke habe, aber nicht jede denkbare Marke auch als Design schutzfähig sei. So sei nicht jede eigenartige Gestaltung im Sinn des Designgesetzes auch gleichzeitig originär unterscheidungskräftig im Sinne des Markenrechts; vielmehr sei die markenrechtliche Schutzfähigkeit oft an den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung geknüpft. Das designrechtliche Neuheitserfordernis könne aber umgekehrt dazu führen, dass eine Gestaltung mangels Neuheit nicht mehr als Design, sondern nur noch als Marke geschützt werden könne. Das Markenrecht biete den Vorteil des attraktiveren internationalen und vor allem zeitlich unbefristeten Schutzes. Das Designrecht sei dafür einfach, schnell und billig zu erlangen, biete also verfahrensmässig gegenüber der Marke Vorteile; so könne insbesondere innert Tagen ein absolutes Schutzrecht erlangt werden. Der Designschutz sei daher vor allem in der Startphase eines Erzeugnisses sowie bei kurzlebigen Produkten attraktiv, entsprechend bringe die Verlängerung der Schutzdauer unter dem DesG nichts. Die Überschneidungen von Designrecht und Markenrecht seien zahlreich, so Marbach. Dabei sei das Markenrecht wesentlich attraktiver. Wer in die Marke wechseln könne, werde dies auch tun. Mit den Worten: «Die bundesgerichtliche Umwegthese ist tot – es lebe die bundesgerichtliche Umwegthese», eröffnete RA Dr. Christian Hilti seine Ausführungen zum Zusammenhang des Schutzes nach Designgesetz und Lauterkeitsrecht. Obwohl die herrschende Lehre die Umwegthese ablehne, habe sich diese insbesondere in den Köpfen der Richter festgesetzt, sodass mit ihr nach wie vor zu rechnen sei. Richtigerweise sei – im Sinne einer «Missbrauchsthese» – lediglich davon auszugehen, dass das UWG nicht dazu missbraucht werden dürfe, einen nicht vorhandenen Spezialschutz zu ersetzen. Das UWG sei selbstständig und unabhängig und schreibe den Wettbewerbsteilnehmern eigene Verhaltensregeln vor, die es zu beachten gelte. Der lauterkeitsrechtliche Schutz sei entsprechend nicht von der spezialgesetzlichen Schutzfähigkeit abhängig, sondern vielmehr von der Art und Weise wie nachgeahmt worden sei. Unlauter sei die Nachahmung eines Designs daher nur, wenn «hinzutretende wettbewerbsrechtliche Tatbestandselemente» vorliegen würden. Zum Zusammenhang von Urheberrecht und Designrecht referierte RA Prof. Dr. Ivan Cherpillod. Er hielt fest, dass das Bundesgericht bei Mustern und Modellen einen geringeren Grad an Originalität voraussetze als bei den urheberrechtlich geschützten Werken der angewandten Kunst. Dabei komme es auf den Gestaltungsspielraum des Schöpfers an; sei dieser klein, so genüge bereits ein geringer Grad selbstständiger Tätigkeit, um den Schutz des Urheberrechts zu erlangen. Mit diesen Kriterien sei die Grenzziehung zwischen Urheberrecht und Designschutz im Einzelfall offen und weitgehend unbestimmt. Ausführlich behandelte Cherpillod zudem die Frage nach der Zuordnung der Rechte an einem im Arbeitsverhältnis geschaffenen Design, das sowohl urheberrechtlich als auch designrechtlich geschützt ist. Nach dem revidierten Art. 332 Abs. 1 OR gehört das Design als Arbeitsergebnis dem Arbeitgeber; das vom Gedanken des Schöpferprinzips getragene Urheberrecht kennt eine solche Regel nicht. Der neue Art. 332 OR könne daher – insbesondere mit Rücksicht auf das Urheberpersönlichkeitsrecht – nicht dazu führen, dem Arbeitgeber neben dem Recht am Design auch das volle Urheberrecht zuzuweisen; die Frage nach dem Umfang des Rechtsüberganges sei vielmehr in Anwendung der Zweckübertragungstheorie zu entscheiden. In der anschliessenden Diskussion erwähnte RA Dr. Michael Ritscher ein jüngstes europäisches Urteil (EUGeI 7. Februar 2002, Mag Instrument Inc. / Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), Rechtssache T-88/00), in dem der Stablampe «Mag Lite» der Schutz als Formmarke versagt wird; in einer derart zurückhaltenden Rechtsprechung bei der Beurteilung von Formmarken sieht er eine Chance für den Designschutz. RA Dr. Lucas David wies auf die Tendenz zur Ausweitung des durch Immaterialgüterrechte gewährten Schutzes hin; zum einen würden Marke und Design neue Formen annehmen, zum anderen werde der Anwendungsbereich des Urheberrechts erweitert. Auch Addor sieht zwar diese Tendenz, fügt aber an, dass das Pendel auf internationaler Ebene bereits in die entgegengesetzte Richtung zurückschlage; so werde im Rahmen der TRIPS-Revision vermutlich keine Schutzausdehnung stattfinden. Zum Abschluss der Tagung warf RA Dr. Lucas David in seinem Referat die Frage auf, ob das Designgesetz lediglich «Alter Wein in neuen Schläuchen» sei. Im Grossen und Ganzen sei das MMG trotz seines ehrwürdigen Alters ziemlich up to date gewesen. Handlungsbedarf habe vor allem beim zu schmalen Schutzumfang bestanden, welcher der zentrale Anlass für die Revision gewesen sei. Ein Mangel des neuen Gesetzes liege darin, dass es die Frage nach dem konkreten oder abstrakten Schutz des Designs (Spezialitätsprinzip) nicht beantworte. Im Übrigen bringe das Gesetz in vielen Einzelfragen Verbesserungen, lasse aber einige zentrale Punkte bewusst oder unbewusst offen.



* lic. iur., wiss. Assistentin am Lehrstuhl für Schweizerisches und Europäisches Privatrecht der Universität Zürich
** lic. iur., wiss. Assistent am Lehrstuhl für Immaterialgüterrecht der Universität Zürich


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