sic! 2002 Ausgabe 6
THOMAS RITSCHER*

Formmarken und andere Markenformen - Zur Frage der Kategorien von Marken - ein Diskussionsbeitrag und ein Nachtrag zu den "Binsenwahrheiten des Immaterialgüterrechts"

Zur Diskussion wird der Vorschlag gestellt, bei Markenkollision im Widerspruchsverfahren die Kategorien von einander gegenüberstehenden Marken in Hinblick auf allfällige Unterschiede der Kategorien verstärkt zu berücksichtigen. Zu diesem Vorschlag gehört, dass bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um eingetragene Marken vermehrt auf die im Widerspruchsverfahren nicht zur Sprache kommenden wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkte geachtet, der Schutzbereich der Marken gegebenenfalls entsprechend eingeschränkt und die Markeneintragung als solche nur ausnahmsweise für nichtig erklärt wird.

Cet article propose de mieux tenir compte des catégories auxquelles les marques en cause appartiennent, en procédure d'opposition, eu égard à d'éventuelles différences entre ces catégories. Cette proposition implique également que dans les procédures judiciaires ayant pour objet des marques enregistrées, l'on accorde une attention accrue aux aspects de droit de la concurrence dont il n'a pas été tenu compte en procédure d'opposition, que l'on restreigne en conséquence le champ de protection des marques le cas échéant, et que la nullité de l'enregistrement de la marque ne soit prononcée qu'exceptionnellement.


I.   Kategorisierung von Marken im Eintragungsverfahren
II.  Gestaltung und Geltungsbereich von Marken - besteht ein Zusammenhang?
III. Eine neue Kollisionsform
IV. Gleiches Mass für alle (Marken)?
V.  "Wortmarken" mit und ohne Sprachcharakter
Zusammenfassung / Résumé


I. Kategorisierung von Marken im Eintragungsverfahren
Das novellierte Markenrecht (MSchG) von 1993 hat neue Markenkategorien – unterschiedliche Gruppen oder Typen mit gemeinsamen Merkmalen9 – zur Eintragung in das amtliche Register zugelassen und ihnen damit eine rechtliche Existenz zuerkannt, die sie unter dem alten Recht (aMSchG) nicht hatten.
Jeder Markentyp ist in erster Linie durch eine besondere gemeinsame Form, wohl aber auch durch eine spezielle Art und Funktion des als Marke dienenden Zeichens definiert. Zu den früher allein zulässigen Wort-, Bild- oder Wort- / Bildmarken sind die Formmarken, Geruchsmarken, Farbmarken, Tonmarken und die realen oder hypothetischen Mischformen gekommen, und die Wortmarke hat jetzt mindestens zwei Unterkategorien, weil unter dem alten Recht nur solche Wortzeichen zur Eintragung zugelassen wurden, die auch als Worte aussprechbar sind und nicht aus einer beliebigen «unaussprechlichen» Kombination alphanumerischer Zeichen bestehen. Zeichen wie z.B. «XYZ» oder «X70» waren nach der Amtspraxis unter dem alten Recht als Wortmarken nicht eintragungsfähig.
Hat das Folgen für den Marken- / Marken-Konflikt, und – wenn ja – welche? Es geht hier besonders um die Gegenüberstellung von älteren und jüngeren eingetragenen Marken im Widerspruchsverfahren, das sich auf formale Kriterien beschränkt und wettbewerbsrechtliche Aspekte nicht berücksichtigen darf.
Dass es sich bei den jetzt eintragungsfähigen Markentypen um unterschiedliche Kategorien handelt – und dass dies auch praktisch bedeutsame Folgen hat – sieht man schon daran, dass an die Eintragungsfähigkeit einer Formmarke (dreidimensionale oder 3D-Marke) im amtlichen Verfahren strengere Anforderungen gestellt werden, als an die einer «darstellungsgleichen» Bildmarke.

II. Gestaltung und Geltungsbereich von Marken – besteht ein Zusammenhang?
Ein vergleichbarer Unterschied bestand schon unter dem alten Recht und besteht weiter unter dem Neuen: Wortmarken, die die Registerbehörde als «nicht eintragungsfähig» – weil gemeinfrei oder beschreibend – beurteilt, werden zur Eintragung zugelassen, wenn sie «grafisch gestaltet» sind und dann in der Kategorie der Wort- / Bildmarken als eintragungsfähig gelten.
Die daraus eigentlich ableitbare Beschränkung des resultierenden Schutzbereichs wird in der Gerichtspraxis nicht selten verkannt. Der Wortgehalt dient regelmässig als primäres Beurteilungskriterium einer Wort / Bildmarke auch dann, wenn die Eintragung eines an sich als gemeinfrei zu beurteilenden Wortzeichens nur dank einer grafischen Gestaltung zugelassen wurde und die behördlich zugelassene Eintragung dann vor Gericht wegen des Wortteils der Marke für nichtig erklärt wird2. Dabei liesse sich dieser Widerspruch zwischen Eintragungs- und Gerichtspraxis einfach dadurch lösen, dass die grafische Darstellung des Wortteils einer Wort- / Bildmarke im Regelfall als Disclaimer des isolierten Wortbestandteils betrachtet und die Marke zwar als formal zulässig bestätigt wird, aber mit einem wesentlich auf die grafische Darstellung beschränkten Schutzbereich. Wenn der Markeninhaber einen Schutz für das Wortzeichen ohne besondere Gestaltung wünscht, kann er eine solche Registrierung beantragen.

Eine «Gleichheit der Darstellung» von zwei Marken unterschiedlicher Kategorie hat es unter den «klassischen» Kategorien des aMschG nicht gegeben. Dort musste man sich allenfalls mit der «Gleichheit des Sinngehalts» auseinandersetzen, etwa wenn (hypothetischer Fall) die jüngere Bildmarke für eine schematisierte Lilienblüte einer älteren Wortmarke «Lilie» für gleiche Waren gegenüber gestanden hätte, oder umgekehrt.
Das neue Recht hat diese Form der Kollision von Marken unterschiedlicher Kategorien erst geschaffen und ihr mit dem gleichzeitig eingeführten Widerspruchsverfahren eine aktualisierte – um nicht zu sagen: praktisch sehr akute – Plattform gegeben. Ähnlich wie bei europäischen Patenten steht nun auch im nationalen Markenrecht eine rasch wachsende Spruchpraxis zur Erteilungs- bzw. Eintragungsfähigkeit von Verbotsansprüchen einer nach wie vor seltenen – und im Zeichenrecht nicht immer ganz widerspruchsfreien – Gerichtspraxis zu den Voraussetzungen und Wirkungen eingetragener Schutzrechte gegenüber. Der mehrfache Flip-Flop der Entscheidungen in Sachen «Creaton / Creabeton»3 in vier aufeinander folgenden Instanzen ist ein neueres Beispiel.

III. Eine neue Kollisionsform
Notwendige Bedingung4 für die Eintragung aller Markentypen ist bekanntlich die «zweidimensionale» – grafisch darstellbare – Form, weil eine Eintragung in das Markenregister dies erfordert. Das führt dazu, dass zwei in ihrer Darstellung praktisch gleiche Marken in unterschiedlichen Kategorien zur Eintragung kommen können und sich dann im Widerspruchs- oder Verletzungsverfahren gegenüber stehen, also z.B. ein und dieselbe Form einer Flasche, einmal als (in zulässiger Weise perspektivisch dargestellte) Bildmarke und ein anderes Mal als (notwendigerweise als dreidimensionale Gestalt erkennbare) Formmarke.

Für eine musikalische Marke bedeutet dies, dass Schutzgegenstand eine akustisch wahrnehmbare Tonfolge ist, die Marke aber in einer entsprechenden Notation, d.h. einer Notenschrift, eingetragen wird, wie etwa CH M 441 734. Dabei könnte die notenschriftliche Darstellung der als Tonmarke geschützten Melodie – jedenfalls theoretisch – auch Gegenstand einer reinen Bildmarke sein. Die grafische Darstellung der Ton- und der Bildmarke wäre dann gleich, die Schutzgegenstände Tonfolge / Notenschriftbild aber nicht. Noch theoretischer sind analoge Erwägungen für Duftmarken, eventuell auch Geschmackmarken, deren grafisch darstellbare Definition beispielsweise ein Chromatogramm, IR-Adsorptionsspektrum oder dergleichen sein könnte.
Darstellungsgleiche Form- und Bildmarken sind hingegen – wie das Widerspruchsverfahren Nr. 1746 und 1747/19975 zeigt – von durchaus praktischer Bedeutung. Hier standen sich die beiden älteren Schweizer Marken 295718 (Wort- / Bildmarke aus einem Firmennamen und dem Bild eines Fisches) und 304 288 (Bildmarke, nur Fisch) für Waren der Klasse 8 (insbesondere Feilen) einerseits und die jüngere Marke 433693 (3-D Marke für fischförmige Pinzetten, Klasse 8) andererseits gegenüber. Die Bildelemente der beiden älteren Marken glichen der Seitenansicht der fischförmigen Pinzette gemäss der datumsjüngeren Formmarke.

Eine etablierte Spruchpraxis im amtlichen Widerspruchsverfahren oder gar im Gerichtsstreit bei Kollisionen zwischen darstellungsgleichen Marken unterschiedlicher Kategorien gab es damals nicht und gibt es auch heute noch nicht. Die Entscheidung des Instituts im eben zitierten Fall hat sich auf die Frage nach der Bedeutung von darstellungsgleichen Marken unterschiedlicher Kategorie nicht eingelassen, sondern den Widerspruch wegen fehlender Identität der Form – nicht der Kategorie – abgewiesen. In dieser Begründung liegt ein Problem: Die Beschränkung der Wirkung einer eingetragenen älteren Marke auf das Verbot der Eintragung (oder des Gebrauchs) jüngerer identischer Zeichen ist meist Konsequenz des Befundes, dass es sich bei der älteren Marke um ein «schwaches» Zeichen handelt, das deswegen eine Wirkung als Eintragungs- oder Gebrauchsverbot nur für gleiche oder nahezu gleiche («nahezu identisch» ist bekanntlich eine contradictio in adiecto, die leider immer wieder verwendet wird) Zeichen hat.
Es ist aber problematisch, wenn man die Stärke oder Schwäche eines älteren Zeichens am Auftreten jüngerer Zeichen bemisst. Ausnahmsweise könnte dies der Fall sein, wenn ein Zeichen durch Gebrauch generisch wird, wie etwa «Aspirin» in den USA., dem Land der «Singer-Doktrin»6, die sich in der Schweiz aber offensichtlich nicht durchgesetzt hat.

IV. Gleiches Mass für alle (Marken)?
Ist ein Kategorieunterschied bei darstellungsgleichen Marken überhaupt bedeutsam? Im Fall von darstellungsgleichen Form- und Bildmarken scheint dies so zu sein, weil im ersten Fall eine Form als solche und im zweiten Fall nur die zweidimensionale Abbildung Schutzgegenstand ist. Die Bildmarke darf aber auch einen an sich dreidimensionalen Gegenstand, also eine Form, darstellen. Offen ist, ob eine als Marke eingetragene Form auch durch die zweidimensionale Darstellung ihres Gegenstandes verletzt wird, und umgekehrt.
Im Fall einer gleichzeitigen Hinterlegung – bei ein und demselben Anmelder ein praktisch möglicher Fall – von darstellungsgleichen Marken unterschiedlicher Kategorien entstehen für die resultierenden Marken jeder Kategorie offenbar Rechte mit unterscheidbarem Geltungsbereich.
Was also sind die Kriterien der Beurteilung darstellungsgleicher Marken unterschiedlicher Kategorie, wie etwa im Fall der Formmarke für die Fischpinzette? Muss man hier für eine sachgerechte Entscheidung wirklich zum «Identitätskriterium» greifen? Eine erste Frage ist, ob sich Kollisionen dieser Art überhaupt mit einem abstrakten Prinzip erledigen lassen, etwa durch Wahl eines der Grundsätze:
1. Bei darstellungsgleichen Marken unterschiedlicher Kategorie ist die ältere Marke nur bei Identität ein Hindernis
2. Kategorieunterschiede spielen bei darstellungsgleichen Marken verschiedener Kategorie grundsätzlich keine Rolle
oder gar die Umkehrung dieser These, nämlich
3. Unterschiede der Kategorie schliessen eine Verwechselbarkeit prinzipiell aus.
Die These (1.) lässt sich allenfalls pragmatisch – aus der Praxis des Widerspruchsverfahrens – rechtfertigen. Als Praktiker würde man sich gern an einem systematisch klaren Grundsatz orientieren.
Theoretisch / dogmatisch fundierbare Gründe lassen sich wohl nur zu den beiden Extrempositionen (2.) und (3.) vorbringen. Gegen eine Verwendung des Kategorieunterschieds als Kriterium – und damit für die eingeführten Kriterien der Verwechselbarkeit oder unerlaubten Anlehnung – liesse sich das Postulat der Einheitlichkeit des Rechts vorbringen: Danach wären Schutzrechte, die in einem speziellen Gesetz definiert sind, grundsätzlich nach gleichen Kriterien zu beurteilen, denn das umfassende Gesetz wurde geschaffen, um in einem bestimmten Rechtsgebiet Definitionen zu bieten, die ausreichend klar für eine rationale Prognose sind. Nur so lassen sich unterschiedliche Sachverhalte unter einen gemeinsamen Tatbestand einordnen.
Oder aber: weil es unterschiedliche Kategorien von Schutzrechten gibt, müssen diese Rechte auch nach den Kriterien beurteilt werden, die für die jeweilige Kategorie sinngemäss sind, gleichgültig, ob diese Rechte im gleichen Gesetz oder in verschiedenen Gesetzen definiert sind. Man könnte auch sagen, dass der Sachverhalt vergewaltigt wird, wenn man ihn aus Gründen der Doktrin unter einen inadäquaten Tatbestand presst.
Tatsächlich gibt es einleuchtende Beispiele für die Berücksichtigung von Kategorieunterschieden im Immaterialgüterrecht. So lässt sich etwa das Kriterium der Originalität eines Computerprogramms kaum nach gleichen Kriterien beurteilen wie die musikalische Begleitung eines Kinofilms oder ein Kriminalroman, obwohl alle diese Werkformen unter das Urheberrechtsgesetz fallen.
Auch im Rahmen des Patentgesetzes gelten für Erfindungen von neuen chemischen Stoffen andere Kriterien der gewerblichen Anwendbarkeit als für Erfindungen auf mechanischem Gebiet. Den «chemischen Stoff» darf man abstrakt beanspruchen, etwa mit seinem systematischen Namen oder der Strukturformel und unabhängig von seiner Verwendbarkeit, während mechanische Erfindungen (wie auch Erfindungen von Computerprogrammen gemäss der Europäischen Patentübereinkunft) immer auf einen bestimmten technischen Zweck gerichtet sein müssen.
Schliesslich entspricht es der Lebenserfahrung, dass die Differenzierung eines Gegenstandes notwendig auch eine Differenzierung der Werkzeuge und der Betrachtungsweise verlangt. Für einen Uhrmacher ist es selbstverständlich, dass er umso feinere Werkzeuge benötigt und umso genauer bis zum Kopfschmerz auf geringe Abweichungen achten muss, je feiner und komplizierter das Uhrwerk beschaffen ist.
Man könnte daher die Frage stellen, ob sich Marken unterschiedlicher Kategorien nicht schon prinzipiell so deutlich voneinander unterscheiden, dass die Kriterien von Identität und Verwechselbarkeit keine rationale Bedeutung haben und nicht sinnvoll anwendbar sind. Ist dies zu bejahen, so könnten Kollisionen von Marken unterschiedlicher Kategorien grundsätzlich und allgemein ausgeschlossen werden.
Diskussionswürdig wäre auch die These, dass eine Bildmarke allein schon deswegen kein älteres Recht gegenüber einer Formmarke darstellt, weil das neue Rechtsinstrument der dreidimensionalen Marke überflüssig wäre, wenn eine ohne weiteres eintragbare darstellungsgleiche Bildmarke grundsätzlich gleiche Verbotsrechte begründete, wie eine in formaler Hinsicht kritisch geprüfte entsprechende Formmarke.
Ein weiterer Grund gegen die Gleichsetzung und für die Differenzierung von Formmarken einerseits und darstellungsgleicher Bildmarken andererseits könnte schliesslich darin liegen, dass eine gegebene Form als Bildmarke ganz unterschiedlich abgebildet werden kann, z.B. in ausgewählten Ansichten und Perspektiven, während die dreidimensionale Form unabhängig von ihrer zweidimensionalen Darstellung alle nur möglichen zweidimensionalen Abbildungen umfassen sollte.
Wenn man eine prinzipielle Unvergleichbarkeit darstellungsgleicher Marken unterschiedlicher Kategorie nicht anerkennen will und eine Konfliktmöglichkeit grundsätzlich zulässt, müsste man eine datumsgleiche oder ältere Formmarke aus dem zuletzt genannten Grund jedenfalls als Vorwegnahme einer darstellungsgleichen jüngeren Bildmarke ansehen. Eine Formmarke wäre dann prinzipiell «stärker» als eine darstellungsgleiche Bildmarke.
Sachlich spricht somit einiges dafür, dass Marken unterschiedlicher Kategorie auch bei gleicher Darstellung im Markenregister nicht wirkungsgleich sind.
Allgemein kann man wohl sagen, dass sich jede der beiden Extrempositionen – gleiche oder differenzierte Beurteilung der in ein und demselben Gesetz definierten Schutzrechte – vertreten lässt, je nachdem welche Ebene der Verallgemeinerung – d.h. die in dieser Ebene angesiedelten Kategorien – man wählt. Bei ausreichend hoch abstrahierender Betrachtungsweise verschwinden die Unterschiede und «alle Menschen werden Geschwister». Nur stösst dies auf Probleme bei der Implementierung. Und dies war offensichtlich auch ein Grund für die Kodak-Entscheidung7 des Bundesgerichts über die Zulässigkeit von Parallelimporten gleicher Produkte unter verschiedenen Immaterialgüterrechten.
Zunächst einmal gelten für die Gültigkeit von Marken aller Kategorien nach neuem Recht die bereits unter dem alten Recht angewendeten Kriterien von Identität und verwechselbarer Ähnlichkeit, wie vom Bundesgericht wiederholt bestätigt8. Daraus ergibt sich die Frage, ob darstellungsgleiche – also in ihrer für die Eintragung erforderlichen zweidimensionalen Darstellung praktisch gleiche – Marken unterschiedlicher Kategorie für gleiche oder gleichartige Waren / Dienstleistungen überhaupt «verwechselbar» im Sinne des MSchG sein können.

Um wieder auf den eingangs erwähnten Fall der «Fischpinzette» zurück zu kommen: Zum einen ist plausibel, dass eine Feile mit dem darauf eingestanzten Bild eines Fisches von niemandem mit einer fischförmigen Pinzette verwechselt werden könnte. Feilen und Pinzette könnten aber auch als «warenähnlich» gelten, sodass trotz unterschiedlicher Kategorie der Bild- und der Formmarke auf gleiche Herkunft geschlossen werden könnte.
Warum also die Frage nach einer entscheidungsrelevanten Funktion eines Kategorieunterschieds bei Markenkonflikten? Man könnte sie etwa wie folgt rechtfertigen:
Zunächst unterscheiden sich Markenkonflikte dadurch, dass sie von unterschiedlichen Instanzen entschieden werden können. Oder mit anderen Worten: die Tatsache, dass zwei Marken formal – vom Eintragungsverfahren her betrachtet – koexistenzfähig sein können, bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie es auch unter lauterkeitsrechtlichen oder anderen Gesichtspunkten sind.

V. «Wortmarken» mit und ohne Sprachcharakter
Die Frage gewinnt an Bedeutung durch die erst unter dem neuen Recht mögliche Eintragung von alphanumerischen Zeichenfolgen, die keinen sprachlichen Charakter haben, weil sie den grammatikalisch bedingten Wortbildungsregeln nicht folgen und daher «nicht aussprechbar» sind. So verlangen die Wortbildungsregeln der romanischen und germanischen Sprachfamilien, dass ein Wort mindestens einen Vokal enthält. Nicht so etwa das Tschechische, wo ganze Sätze aus Worten ohne Konsonanten gebildet werden können, wie zum Beispiel der Satz «str prst skrz krk» («Steck den Finger durch den Hals»), oder das Hebräische, das jedenfalls in der Schrift im Wesentlichen ohne Konsonanten auskommt und das Schriftzeichen «JHW» zum Sprachzeichen «Jahwe» oder «Jehowa» mutiert.
Die Kategorie der als «Wortmarken» eintragungsfähigen Zeichen enthält demnach – wie oben bereits kurz erwähnt – eine erste Unterkategorie der «sprachlich wohlgebildeten» Wortzeichen, die einen phantastischen, neologischen oder lexikalischen Ursprung haben können. Die zweite Unterkategorie wären dann die «sprachlich missgebildeten» Zeichen, die den Regeln der Wortbildung in den Amtssprachen nicht entsprechen.
Hierzu gehören Serienzeichen, wie alphaN (worin alpha einen Buchstaben oder eine kurze Buchstabenfolge und N eine ein- bis dreistellige Zahl bedeutet; z.B. CH M 441221 – CH M 441236 oder CH M 440539 – CH M 440550) und viele Akronyme mit nicht sprachregelkonformem Charakter (was die fehlende Aussprechbarkeit zur Folge hat). Solche Zeichenfolgen scheinen das Markenregister zunehmend zu füllen. Eine passende Bezeichnung für Marken dieser Gruppe gibt es bisher noch nicht.
Die Eintragung von nicht sprachregelkonformen Zeichen als «Wortmarken» könnte vermehrt zu Konflikten zwischen eingetragenen Marken führen, die nach den konventionellen und an den Wortbildungsregeln orientierten Kriterien einer «verwechselbaren Ähnlichkeit» jedenfalls nicht «objektiv» – im Sinne der Beurteilung mit ausreichend klaren Kriterien für eine Prognose – entschieden werden können. Ist etwa C60 mit S60 verwechselbar oder nicht?
Es wäre daher nicht ganz wirklichkeitsfremd, bei Markenkonflikten die Aspekte der Eintragungsfähigkeit von den Aspekten des unter allen gegebenen Umständen angemessenen Schutzbereichs zu trennen. Bei dieser Methode ist es gerechtfertigt, die Frage der Unterscheidbarkeit für die Eintragung in das Markenregister von lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten bei der Verwendung der eingetragenen Marke je für sich zu entscheiden. Mit anderen Worten: Im Streit um die eingetragenen Marken «altatensione» und «Creaton» wäre ein sachgerechter Entscheid auch ohne Nichtigerklärung der Marken allein mit einer Begrenzung des Schutzbereichs möglich gewesen.
Dies liesse sich dadurch in die Praxis umsetzen, dass die Tatsache der Eintragung einer Marke (oder mehrerer Marken) bei der gerichtlichen Beurteilung im Normalfall akzeptiert und der Streit im Wesentlichen auf Basis des Schutzbereiches entschieden würde. Bei der oben erwähnten Disparität einer rasch zunehmenden Spruchpraxis im Eintragungsverfahren und den vergleichsweise seltenen gerichtlichen Entscheidungen würde dies vielleicht auch das oft beklagte aleatorische Element bei der Entscheidung zeichenrechtlicher Konflikte wenigstens abschwächen.

Zusammenfassung
Das neue Markenrecht begründet die Frage, ob grundsätzlich alle Marken nach gleichen Kriterien für die Eintragungsfähigkeit und für die verwechselbare Ähnlichkeit zu beurteilen sind oder ob eine Differenzierung unter Beachtung von Kategorieunterschieden sachgerechter wäre. Die Eintragungspraxis zeigt bereits, dass Kategorienunterschiede für die Eintragung berücksichtigt werden und eine entscheidende Rolle spielen können, etwa wenn eine als dreidimensional erkennbare Form als Bildmarke zugelassen wird, nicht aber als Formmarke, oder wenn ein Sprachzeichen nur in einer besonders gestalteten Form zur Eintragung kommt, weil damit die Gefahr einer Monopolisierung eines als gemeinfrei angesehenen Sprachzeichens ausgeschaltet werden soll. Daher erscheint es richtig, wenn auch bei Markenkollision im Widerspruchsverfahren die Kategorien von einander gegenüberstehenden Marken in Hinblick auf allfällige Unterschiede der Kategorien verstärkt berücksichtigt werden. Dies gilt sowohl bei Konflikten von darstellungsgleichen Marken unterschiedlicher Kategorie als auch bei Wortmarken und Wort- / Bildmarken. Zu diesem Vorschlag gehört, dass bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um eingetragene Marken von einer normierenden Wirkung der Eintragung ausgegangen und verstärkt auf die in einem allfälligen Widerspruchsverfahren nicht zur Sprache kommenden wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkte geachtet wird. Konflikte wären dann vermehrt mit einer adäquaten Abgrenzung des Schutzbereichs der Marken und seltener durch Löschung zu regeln, wie das bei aussergerichtlichen Erledigungen von Markenkonflikten unter Praktikern normalerweise der Fall ist. Bei Wort- / Bildmarken könnte und sollte im Normalfall davon ausgegangen werden, dass die Tatsache der Eintragung eines Zeichens in dieser Kategorie als Disclaimer für den isolierten Wortteil des Zeichens angesehen wird. Denn wenn ein Zeichen (nur) dank seiner Gestaltung zur Eintragung zugelassen wird, ist die gerichtliche Löschung einer eingetragenen Marke wegen Gemeinfreiheit oder mangelnder Kennzeichnungskraft ihres Wortteils ebenso ungerechtfertigt wie das Ausserachtlassen der Gestaltung einer Marke bei der Beurteilung ihres Schutzbereichs.

Résumé
Le nouveau droit des marques pose la question de savoir si toutes les marques doivent être appréciées en principe selon les mêmes critères pour leur enregistrement et pour l’évaluation du risque de confusion résultant de leur similitude, ou s’il ne serait pas plus opportun d’opérer une distinction en fonction des différences de catégories. La pratique en matière d’enregistrement montre déjà que des différences entre catégories sont prises en compte lors de l’enregistrement et qu’elles peuvent jouer un rôle décisif par exemple lorsqu’une forme, à l’évidence en trois dimensions, est admise en tant que marque figurative, mais non en tant que marque en trois dimensions, ou lorsqu’un signe verbal ne peut être enregistré qu’avec un graphisme particulier pour éviter qu’un terme réputé appartenir au domaine public ne puisse ainsi être monopolisé. Ainsi, il paraît juste de mieux tenir compte des catégories auxquelles les marques en cause appartiennent, en procédure d’opposition, eu égard à d’éventuelles différences entre ces catégories. Cela vaut aussi bien pour les conflits entre marques de conception identique, mais de catégories différentes, que pour les marques verbales et les marques comportant des éléments figuratifs et verbaux. Cette proposition implique également que dans les procédures judiciaires portant sur des marques enregistrées, l’on admette un effet normatif de l’enregistrement et que l’on accorde une attention accrue aux aspects relevant du droit de la concurrence dont il n’a pas été tenu compte dans le cadre d’une éventuelle procédure d’opposition. Les conflits devraient être ainsi plus fréquemment réglés par une délimitation plus appropriée du champ de protection des marques et moins souvent par une radiation, de la même manière que le font normalement les praticiens dans le cadre des règlements extra-judiciaires des conflits entre marques. S’agissant de marques comportant des éléments figuratifs et verbaux, on pourrait, voire devrait normalement partir de l’idée que l’enregistrement d’un signe dans cette catégorie fonctionne comme un disclaimer pour l’élément verbal lui-même, considéré isolément. En effet, si un signe peut être enregistré (uniquement) grâce à son graphisme, sa radiation au motif que son élément verbal appartient au domaine public ou ne possède aucune force distinctive serait aussi injustifiée que le fait de ne pas prendre en compte son graphisme pour apprécier l’étendue de sa protection.



* Dr. rer. nat., dipl. chem., Patentanwalt, Zollikon.
1 Binsenwahrheiten des Immaterialgüterrecht, Festschrift für Lucas David (FS David), Zürich 1996.
2 Richtlinien für die Markenprüfung, sic! Sondernummer 1997; BGE 114 II 371 ff., "altatensione".
3 BGE, sic! 2000, 590.
4 L. David, Kommentar zum Markenschutzgesetz, 2. Aufl., Basel 1999.
5 IGE Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 1998, sic! 1998, 481.
6 A. Troller; Immaterialgüterrecht, 3. Aufl. Bd. I, 301, Fn. 238.
7 BGE 126 III 129 ff.
8 BGE 123 III 189 ff. und dort genannte Entscheide.
9 E. Rosch et al., Cognition and Categorization, Hillsdale, N. J., 1978.


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