sic! 2003 Ausgabe 10
PATRICK HUNGER*

Kauf von Informationen - Das journalistische Geschäft der Informationsbeschaffung im Informationszeitalter

Das journalistische Geschäft der Informationsbeschaffung im Informationszeitalter Das journalistische Geschäft der Informationsbeschaffung verdeutlicht, dass das Medienrecht und die Medienethik (weiterhin) kein integratives, mithin nicht ein sich ergänzendes (Gesamt-)System bilden. Im Lichte der zunehmenden ökonomisierung und Informatisierung der journalistischen Tätigkeit erscheint jedoch dieser Harmonisierungsprozess unumgänglich, soll eine zunehmende und im Ergebnis irrational anmutende Polarisierung zwischen den beiden Normgefügen verhindert werden.

L'activité journalistique consistant à réunir et à fournir des informations démontre que le droit et l'éthique des médias ne forment toujours pas un système intégratif et complémentaire. Au vu de l'importance croissante des impératifs économiques et de l'informatisation de l'activité de journaliste, ce processus d'harmonisation semble toutefois être indispensable pour éviter une polarisation irrationnelle entre les deux structures de normes.


I.    Einleitung
II.   Kauf von Informationen
III.  Effektivität der Leistungserstellung
IV.  Informationsselektion und Informationsgesellschaft
V.   Missbrauchsregelung

I. Einleitung

Die journalistische Tätigkeit entwickelt sich in einer spannenden Wechselbezüglichkeit wirtschaftlich-organisatorisch-technischer Gegebenheiten und übergeordneter rechtlich-ethischer Imperative. Hierbei vermag namentlich das journalistische Geschäft der Informationsbeschaffung zu verdeutlichen, dass die Medienwirklichkeit (mit ihren Verhaltensmustern) vielfach nur ungenügend als gemeinsame Vorstellung vom angemessenen und richtigen Verhalten qualifiziert, mithin besagte Wechselbezüglichkeit wider bestehende Faktizitäten sanktioniert wird.

II. Kauf von Informationen

Als Anwendungsbeispiel der journalistischen Informationsbeschaffung wird der Kauf von Informationen von Informanten, die nicht zum Berufsstand gehören, besonders kontrovers diskutiert1. Während aus Sicht des Rechts (Fremdregulierung) dieser Grundsachverhalt zunächst keine Bedenken aufwirft2, wird das Bezahlen von Informationen durch Mittel der journalistischen Selbstregulierung grundsätzlich als unlautere Informationsbeschaffungsmethode qualifiziert (vgl. Ziff. 4 Journalistenkodex vom 21. Dezember 1999 i.V.m. Ziff. 4.3 Richtlinien zum Journalistenkodex vom 18. Februar 20003). Argumentativ wird diese (berufsethische) Verbotsregelung mit dem Gebot der (Interessen-)Unabhängigkeit des Journalisten gestützt (Presserat, Stellungnahme vom 3. Mai 2002, Nr. 26/20024).
Ohne an dieser Stelle näher auf die den Kauf von Informationen kanalisierenden (schweizerischen) Rechtsnormen5 (im ZGB, OR, StGB, UWG, KG etc.) einzugehen, sei nachfolgend das Augenmerk ausschliesslich auf die skizzierte Moral in Ziff. 4 Journalistenkodex gerichtet und der Frage Rechnung getragen, inwiefern eine Verbotsregelung im Lichte der fortschreitenden Informatisierung der Gesellschaft zeitgemäss erscheint.

III. Effektivität der Leistungserstellung

Die zunehmende Ökonomisierung des journalistischen Geschäfts der Informationsbeschaffung ist Medienwirklichkeit6. Unabhängig davon, welche – betrachtet unter demokratischen und kulturellen Gesichtspunkten – besonderen Aufgaben den journalistischen Erzeugnissen bzw. Leistungen zugesprochen wird (z.B. Kontroll- und Kritikfunktion)7, weisen sie einen wirtschaftlichen Wert auf. Informationen, verstanden als Wert-Chance8, werden zu einem Produkt verdichtet und im Anschluss kommerziell vermarktet. Angestrebt wird die Bindung und Gewinnung von Abonnenten bzw. Inserenten, mithin (persönliche) wirtschaftliche Prosperität9.
Die der Information hierdurch zugesprochene Werttreiber-Funktion10 ist ihrerseits abhängig von der Effektivität der Leistungserstellung. Während in materieller Hinsicht die Ereignisqualität der Information im Vordergrund steht, ist in formeller Hinsicht die Ereignisverwaltung, die sog. Informations-Kosten11, prioritär. Beiden Effektivitätsparametern ist jedoch gemeinsam, dass der Qualitäts- und Verwaltungs-Aufwand in unmittelbarer Abhängigkeit zum Informationsbestand steht bzw. mit wachsendem Informationsangebot die Gefahr der falschen Selektion wächst.

IV. Informationsselektion und Informationsgesellschaft


Diese wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen dazu, dass die journalistische Leistungserstellung in der Phase der Informationsgewinnung auf effektive (Informations-)Selektionsmittel i.S.v. Akquisitionschancen angewiesen ist. Hierbei gilt es einen unmittelbaren, mithin einen verzögerungs- und konfusionsminimierten Zugang zu kommerzialisierbaren Informationen zu realisieren. In Würdigung der dargelegten Rohstoff-Funktion12 von Informationen erweist sich daher der Kauf von Informationen als notwendiges (und rationales) Selektionsmittel, zumal sich das Informationsangebot insbesondere den Marktmechanismen unterstellt und kommerzialisierbare Informationen zugänglich werden. Zieht man ferner die Auswirkungen der zunehmenden Informatisierung der Gesellschaft heran, erscheint der Kauf von Informationen als journalistischer (Selektions-)Behelf geradezu systemimmanent. Informatisierung13, verstanden als umfassender, grenzenloser Einsatz von Informationen zur selbstständigen Informationsgewinnung, manifestiert sich u.a. darin, dass der Informationsaustausch bzw. Informationsmärkte an Bedeutung gewinnen. Die angesprochene Wert-Chance einer Information wird in der Informationswirtschaft institutionalisiert bzw. die Information emanzipiert sich zum primären (Wirtschafts-)Gut. Folgerichtig ist der Journalist im Rahmen seiner (individuellen) Leistungserstellung darauf angewiesen, am Markt als (Informations-)Nachfrager auftreten zu können. Dass hierbei das Austauschverhältnis geldwerten Charakter aufweist, liegt in der Natur des marktwirtschaftlich geprägten Information Business14.Zusammenfassend ist daher (als Zwischenergebnis) festzuhalten, dass die eingangs erwähnte selbstregulatorische Verbotsregelung ökonomisch nicht (mehr) zeitgemäss bzw. systemwidrig ist. Entsprechend ist abschliessend der Frage nachzugehen, inwiefern die Medienethik losgelöst von dieser Medienwirklichkeit verhaltenssteuernd in den journalistischen Leistungserstellungsprozess eingreifen soll.

V. Missbrauchsregelung


Dem unter Ziff. II zitierten Entscheid des Presserates lässt sich einerseits entnehmen, dass mit «dem grundsätzlichen Verbot der Bezahlung von Informanten […] offensichtlich verhindert werden [soll], dass der Informationsfluss im Einzelfall durch kommerzielle statt durch publizistische Kriterien bestimmt wird»15. Andererseits hält der Presserat fest, dass bei der «Abgrenzung zwischen berufsethisch Zulässigem und Verpöntem […] eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen»16 sei.
Während ersteres Zitat allgemein die Zielsetzung des Journalistenkodex wiedergibt, reflektiert Letzteres spezifisch das Medienhandeln. Hierbei werden der Charakter (z.B. Auslagenersatz, Lohn), der Umfang (z.B. geringfügiger Betrag) und der Zweck der geldwerten Leistung (z.B. Beeinflussung des Willens des Empfängers zur Weitergabe von Informationen) in Erwägung gezogen. Augenscheinlich ist jedoch, dass das Mediensystem, mithin die ökonomischen Rahmenbedingungen wider dem Bekenntnis zur holistischen Betrachtungsweise ausgeblendet werden. Der Journalist wird ausschliesslich in seiner Bilateralität (zum Informanten) betrachtet; seine Funktion als (Informations-)Marktteilnehmer wird vernachlässigt.
Entsprechend wird die dargelegte (informationelle) Medienwirklichkeit nicht der Begründung des Presserates zugrunde gelegt17. Die medienethische Sollens-Ordnung wird ohne kritische Würdigung sämtlicher journalistischer Opportunitäten definiert. Im Ergebnis werden journalistische Interaktionsmuster sanktioniert, deren ethischer Gehalt bisher nicht reflektiert bzw. festgestellt wurde. Das Resultat ist eine Differenz zwischen Sein und Sollen, die willkürlich anmutet und keine überindividuelle Wert-Ordnung dokumentiert.
Folgerichtig ist (als Schlussergebnis) auch im Lichte der Medienethik die Verhaltenssteuerung in Ziff. 4 Journalistenkodex i.V.m. Ziff. 4.3 Richtlinien mangels Berücksichtigung der (gesamten) Medienwirklichkeit als systemwidrig (und opportunistisch) zurückzuweisen bzw. ist die geltende Verbotsregelung basierend auf der Ökonomisierung und Informatisierung der journalistischen Tätigkeit beispielsweise durch eine Missbrauchsregelung zu ersetzen, welche davon absieht, den Grundsachverhalt – Kauf von Informationen – zu werten. Sowohl der freie Informationsfluss, die publizistische Vielfalt als auch die Informationsqualität lassen sich durch verhältnismässige (rechtliche) Rahmenbedingungen18 (z.B. besondere Sorgfalts- und Prüfanstrengungen, Offenlegung) sicherstellen, was ausländische Regelungsgefüge bestätigen19.
Abschliessend sei angemerkt, dass sich durch einen Übergang von einer Verbots- zu einer Missbrauchsregelung die Medienethik dem Medienrecht, das den Grundsachverhalt nicht sanktioniert, angleichen würde, mithin beide Normengebilde ihren ergänzenden Charakter realisieren würden20.



*Dr. iur., LL.M., Institut für Wirtschaftsrecht, Zürcher Hochschule Winterthur.
1Vgl. zuletzt NZZ vom 20. Juni 2003, 69. Vgl. hierzu eingehend C. E. EBERLE, Information als Ware? Über Checkbuchjournalismus, in: Rehbinder Manfred (Hg.), Ethik als Schranke der Programmfreiheit im Medienrecht, FS für Günter Hermann zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2002, 99-108; ferner A. MEILI, Scheckbuchrecherche im Konflikt mit der journalistischen Berufsethik?, medialex 1997, 123 ff.
2M. WIDMER, Das Verhältnis zwischen Medienrecht und Medienethik, Zürich 2003,130.
3Die Bestimmungen sind im Wortlaut unter www.presserat.ch abrufbar.
4Die Erwägungen des Presserates sind im Wortlaut unter www.presserat.ch abrufbar.
5Vgl. allgemein zu den Rechtsquellen im Medienrecht R. H. WEBER, Medienrecht für Medienschaffende, Zürich 2000.
6EBERLE (Fn. 1), 99.
7WIDMER (Fn. 2), 8 f.; R. ZULAUF, Informationsqualität, Ein Beitrag zur journalistischen Qualitätsdebatte aus der Sicht des Informationsrechts, Zürich 2000, 69.
8J. N. DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, Zürich 1995, 73.
9ZULAUF (Fn. 7), 69.
10Vgl.zur Information als Werttreiber im Marktprozess R. WEIBER, Handbuch Electronic Business, 2. Aufl., Wiesbaden 2002, 163 ff.
11Vgl. allgemein zum Aufwand für Informationen DRUEY (Fn. 8), 71 f.
12Vgl. zum Rohstoff "News" auch ZULAUF (Fn. 7) 69.
13V. MAYER-SCHöNBERGER, Information und Recht, Wien 2001,7.
14WEIBER (Fn. 10) 163.
15Ziff. II/8a der Stellungnahme Nr. 26/2002 des Presserates.
16Ziff. II/8c der Stellungnahme Nr. 26/2002 des Presserates.
17Vgl. zur Bedeutung der Medienwirkungsforschung für die Medienethik WIDMER ( Fn. 2), 14 f. (m.w.H.).
18Vgl. hierzu auch EBERLE (Fn. 1), 103 u. 104 ff. (mit besonderen Hinweisen zur Beschaffung exklusiver Informationen gegen Entgelt), und WIDMER (Fn. 2), 130.
19Vgl. zu ausländischen Regulativen beispielsweise EBERLE (Fn. 1), 101 f., und MEILI (Fn. 1), 124 f.
20 
Vgl. zur Regulierung durch Medienrecht und Medienethik WIDMER (Fn. 2), 30 ff.


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